Dann muss es Liebe sein
Spritze in Ihrer Tasche, oder freuen Sie sich so, mich zu sehen?«
Aus Sorge, sie könne dieser Frage gleich höchstpersönlich nachgehen, trete ich ein und räuspere mich.
Aurora sieht auf, errötet und zieht ihre Bluse zurecht. Drew schnappt sich Saba und hebt sie auf den Tisch.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sage ich sarkastisch. »Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten, Drew. Im Büro. In zehn Minuten.«
Wie sich herausstellt, treffen wir uns doch nicht im Büro, denn gleich darauf ruft mich Frances an den Empfang, wo eine Frau in dunklem Hosenanzug sich wegen eines Hamsters in einer Taschentuch-Box die Augen ausheult. Es ist Ally Jackson, die rasende Reporterin des Chronicle, die den sensationslüsternen Artikel über den Captain geschrieben hat. Ich muss gestehen, mein Mitleid mit ihr hält sich in Grenzen.
»Ich habe ihm gesagt, wenn Harry stirbt, lasse ich mich scheiden«, erklärt sie schluchzend.
Ich schaue in die Box und sehe ihren Hamster. Er liegt reglos da, und Blut läuft ihm aus dem Maul. Sofort ändere ich meine Meinung. Armes Kerlchen.
»Was ist denn passiert?« Ich nehme ihn heraus und lege ihn auf den Empfangstresen.
»Wehe, da ist nachher Blut auf meinem Terminbuch«, droht Frances.
»Mein Mann ist auf ihn draufgetreten.« Ally presst ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch vor ihren Mund.
»Ich nehme ihn mit nach hinten und sehe, was ich für ihn tun kann. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen …« Ich nicke in Richtung Frances, als ich Harry hochnehme. »Können Sie bitte die Einverständniserklärung ausfüllen?«
»D-darf ich mich noch von ihm verabschieden?«, stammelt Ally, und ehe ich weiß, wie mir geschieht, greift sie nach meiner Hand – mit der ich den Hamster halte – und bedeckt sie mit feuchten Küssen. »Leb wohl, Mamis allerliebstes Schatzilein.«
»Ich sage Ihnen gleich Bescheid«, erwidere ich und weiche hastig durch die zweiflügelige Tür zurück in den Flur. Im Behandlungsraum verabreiche ich Harry eine körperwarme Infusion, spritze ihm eine Dosis Steroide und lege ihn in den Inkubator.
»Frances hat mir gesagt, dass Sie hier hinten sind.« Drew schlendert herein. An seinem Praxishemd hängen noch ein paar Nylonfäden, die er Saba vorhin gezogen hat. Er schnippt sie weg, während er auf mich zukommt und einen Blick über meine Schulter wirft. »Das sieht nach Zeitverschwendung aus, wenn Sie mich fragen. Warum kaufen die sich nicht einfach einen neuen?«
»Weil ihnen der hier ans Herz gewachsen ist.« Ich mustere kritisch Harrys flache Atmung, die stumpfen stecknadelkopfgroßen Augen und das unregelmäßige Zucken seiner Pfoten. »Und mir auch.«
»Im Gegensatz zu mir und Aurora«, sagt Drew mit einem verschmitzten Zwinkern. »Sie hat mich gebeten, einen Blick auf ihren Ausschlag zu werfen. Und aus reiner Nächstenliebe habe ich ihr den Wunsch erfüllt.«
»Klar doch«, entgegne ich und fülle dabei Harrys Karteikarte aus.
»Ich hatte Angst, es könnte die Räude sein. Das wäre immerhin möglich. Sie könnte sich bei ihrem Hund angesteckt haben.«
»Dann hätten Sie sie zu einem Arzt schicken sollen.«
»Was? Und den ganzen Spaß einem anderen überlassen?« Drew legt den Kopf auf die Seite, und ich muss lächeln. »Sie hat nur mit mir geflirtet, mehr nicht. Es war vollkommen harmlos.«
»Sie hat einen Freund – was ist mit dem?«
»Davon hat sie nichts erwähnt. Kommen Sie schon, Maz. Was ist denn los mit Ihnen? Wir sind beide erwachsen und hatten unseren Spaß. Ich und Aurora, meine ich. Nicht ich und Sie …«
»Es könnte als sexuelle Belästigung aufgefasst werden.« Es ist schwierig, bei seinen Scherzen die Fahne moralischer Bedenken hochzuhalten. Man kann ihm einfach nicht lange böse sein.
»Ihrerseits. Nicht meinerseits. Sie hat angefangen.« Drew seufzt. »Ich kann doch auch nichts dafür, wenn sich die Frauen in meiner Gegenwart gerne die Kleider vom Leib reißen.«
»Sie können von Glück reden, dass ich Sie erwischt habe und nicht Shannon.« Drew runzelt die Stirn. »Offensichtlich ist sie der Meinung, Sie beide seien ein Paar.«
Ich mag Shannon. Sie gehört jetzt zum Team, und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie Drew sie zum Narren hält. Und deswegen verstumme ich auch, als sie mit einem weißen Drahtkäfig in den Behandlungsraum kommt.
Sieben hockt darin auf einer weißen Decke, neben sich einen Ball, der fast genauso groß ist wie er selbst. Er ist noch immer winzig, aber seine Augen haben sich mittlerweile geöffnet
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