Dann muss es Liebe sein
aufgetaucht und hast meine Ehre gerettet.«
»Ich wusste genau, was er vorhatte«, sagt Emma. »Der war scharf auf dich, seit er dich zum ersten Mal gesehen hatte – trotz des weißen Overalls und der Gummistiefel. Und trotzdem, glaube ich, können wir mit Gewissheit sagen, dass die Prüfungen, die wir während des Studiums zu ertragen hatten, uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind.«
»Das stimmt. Und nach der Erfahrung ist es kein Wunder, dass ich Vegetarierin geworden bin.«
»Ich werde nie vergessen, wie du zum ersten Mal versucht hast, Linsen zu kochen. Dieser Eintopf … es war, als würde man Kieselsteine essen.«
Es hat einige Übung erfordert, meine Ernährung umzustellen. Ich konnte den Ernährungsbedarf einer Katze mit Nierenversagen herunterbeten, aber ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was mein eigener Körper brauchte. Offen gestanden hätte ich am Ende des darauffolgenden Semesters selbst ein Eisenpräparat vertragen können. Es war Emma, die mich wieder zur Vernunft brachte, indem sie mir zum Geburtstag ein vegetarisches Kochbuch schenkte, sodass ich mich in unserer WG auch wieder am Kochen beteiligen konnte.
Emma nimmt eine Din-A4-Mappe vom Regal hinter ihr, öffnet sie und zieht einen handgeschriebenen Brief und einen ausgedruckten Lebenslauf heraus.
»Shannon ist Gillians Tochter. Du kennst Gillian doch – aus dem Blumenladen.«
»Dem Blütentraum? Die Frau mit der Bulldogge?«
»Genau. Shannon schreibt hier, dass sie Tiere liebt.« Emma überfliegt die Seiten. »Sie hatte ganz gute Noten in ihren Abschlussprüfungen.«
Ich schaue auf meine Uhr, und dabei fällt mein Blick auf die Narbe an meinem Handgelenk, die sich wie ein Streifen alter Kaugummi über meine Haut zieht. Sie stammt vom Brand im Buttercross Cottage vergangenen Sommer, ein Andenken an das, was manche Mut, andere Irrsinn nennen würden, als ich in einem vergeblichen Versuch, eine meiner Kundinnen aus ihrem brennenden Haus zu retten, nicht nur mein eigenes, sondern auch Alex’ Leben aufs Spiel gesetzt habe. Ich bemühe mich, die Bilder zu verdrängen, die in meinem Kopf aufblitzen, das Gefühl der Panik, das meinen Rücken heraufkriecht. Die Flammen. Der Rauch. Die Erinnerung an Alex’ Hände, die mich in Sicherheit stoßen. Daran, wie er unter einer Lawine aus Balken und Mauerwerk verschwindet.
Ich gehe zum Sofa und streichle den Kopf des roten Katers. Er miaut leise, dann setzt ein tiefes, brummendes Schnurren ein, und wie in Ekstase stupst er mit dem Kopf immer wieder gegen meine Hand. Mir fällt auf, wie dünn er ist, und ich nehme mir vor, nach den Feiertagen noch einmal sein Blut untersuchen zu lassen.
»Was hast du Shannon gesagt, wann sie hier sein soll?«, frage ich.
»Vor zehn Minuten, aber vorne am Empfang ist nichts los, also haben wir keine Eile.« Emma steht auf und geht zur Anrichte, wo sie einen weiteren Donut vom Teller nimmt. Ich nehme mir ebenfalls einen. Es ist eine schlechte Angewohnheit. Seit Emma angefangen hat, für zwei zu essen, tue ich das Gleiche.
»Wie lange geben wir ihr noch?« Ich klopfe die Krümel von meinem mit Pfoten bedruckten Oberteil und schaue noch einmal aus dem Fenster. Als ich mich wieder umdrehe, lacht Emma mich an. »Was? Was ist denn?«
»Du hast deine Stadtgewohnheiten noch immer nicht abgelegt, was? Sieh nur, wie du hier auf und ab tigerst. Entspann dich, Maz.«
Sie hat recht, denke ich. Es ist inzwischen acht Monate her, seit ich von London nach East Devon gezogen bin, und man sollte meinen, dass ich mich mittlerweile an das Landleben gewöhnt hätte. Hier gilt nun einmal Devon-Zeit, und das heißt mindestens eine halbe Stunde später als Greenwich-Zeit. Aber ich will mich nicht beschweren – vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen großen, dunkelhaarigen, leicht gebräunten, umwerfend attraktiven Freund –, das Leben hier hat auch seine Vorzüge.
»Shannon ist da.« Frances steckt den Kopf durch die Türöffnung. »Soll ich sie reinbringen?«
»Ja. Danke, Frances«, antwortet Emma, und kurz darauf stapft eine junge, von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete Frau in den Personalraum. Sie zögert und linst durch ihren dichten schwarzen Pony, ihre Augen sind mit einem dicken Kajalstrich umrandet und blicken ein wenig ängstlich.
»Komm ruhig rein, Shannon«, fordert Emma sie auf. Sie schaut kurz zu mir herüber und zieht kaum merklich die Augenbrauen hoch. »Wir beißen nicht.«
Ich bin mir nicht sicher, ob das auch für Shannon gilt. Sie sieht aus, als wäre
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