Dann muss es Liebe sein
enttäuschen, wenn die Talyton-Manor-Praxis den Renntierarzt stellt.
»Mich würde interessieren, ob sie dich in diesem Aufzug in den Mitgliederbereich lassen.« Alex grinst. »Wahrscheinlich könnte ich sie sogar dazu überreden, allerdings glaube ich kaum, dass ich mich konzentrieren könnte, bei dem, was du darunter trägst.«
»Ich trage gar nichts darunter«, antworte ich, ohne nachzudenken. Als er nach dem Gürtel um meine Taille greift, wird mir klar, dass er mich nur aufgezogen hat. »Ich dachte, du hättest es eilig«, sage ich, und meine Stimme zittert voller Vorfreude.
»Das habe ich auch, aber manchmal muss alles andere eben warten …«
4
Der erste Schnitt
»Möchten Sie noch einen Bandwurm dazu?«, erkundigt sich Izzy, als ich mir morgens im Personalraum als Erstes einen starken schwarzen Kaffee einschenke. Es ist Dienstag, die Silvesterparty im Herrenhaus liegt schon ein paar Tage zurück, aber ich bin noch immer wütend auf Sophia wegen ihrer Bemerkungen über Slums und Asoziale. Ganz gleich, ob sie es so gemeint hat oder nicht, es war unglaublich taktlos und unhöflich von ihr.
»Mrs King hat ihn für Sie vorbeigebracht.« Izzy hält ein Marmeladenglas in der ausgestreckten Hand.
»Wie nett von ihr«, erwidere ich mit einem Blick darauf, »und das auch noch gleich nach dem Frühstück.«
»Ich habe ihr gesagt, sie könne nachher eine Wurmkur und Flohmittel für Cleo abholen.«
»Das übernehme ich.« Im Sprechzimmer drucke ich die Etiketten aus und klebe sie auf die entsprechenden Packungen, ehe ich diese nach vorn an den Empfang bringe, wo ich erneut auf Izzy treffe. Sie hat offensichtlich ein Problem mit Shannons Haar. Gestern war es ihre Praxiskleidung und vorgestern die Tatsache, dass sie zwei Minuten zu spät zur Arbeit erschienen ist.
»Das Ding binde ich nicht um«, erklärt Shannon mit bebender Stimme. »Ich habe keine Ahnung, wo das schon überall gewesen ist.«
»Das ist ein Gummiring«, entgegnet Izzy und zieht ihn von einem Bündel Briefen. »Jetzt stell dich nicht so an.«
Shannon packt den Ring abwehrend zwischen Daumen und Zeigefinger, und ich denke bei mir, wenn sie schon bei einem Gummiring so zimperlich ist, wie reagiert sie dann bei etwas wirklich Ekligem wie einem Katzenabszess?
»Izzy, Sie klingen wie die Trainer bei Dog Borstal«, schreite ich ein. »Shannon, wenn dein Haar sich irgendwo verfängt, wirst du womöglich skalpiert.«
»Wirklich?«, fragt sie in einem Ton, der mich fürchten lässt, dass sie an Selbstverletzungen genauso interessiert sein könnte wie an Vampiren. (Ich habe in der Mittagspause gesehen, dass sie in Bis(s) zum Morgengrauen versunken war.)
»Es ist unhygienisch«, sagt Izzy. »Tierärzte mögen es nicht, wenn beim Operieren Haare in die Wunde hängen.«
Langsam nimmt Shannon ihr Haar zurück, dreht es zusammen und schlingt den Gummiring ein paar Mal darum.
»So ist es besser«, meint Izzy. »Und nun lass uns mal sehen, ob wir etwas für dich zu tun finden.«
»Shannon kann heute Vormittag bei den Operationen aushelfen«, schlage ich vor. »Im OP -Raum gibt es immer etwas zu tun.«
»Die Tiefkühltruhe müsste abgetaut werden«, wirft Izzy ein.
Aber das hat nicht gerade viel mit der Arbeit einer Tierarzthelferin zu tun, oder? Wie soll Shannon jemals etwas Sinnvolles lernen, wenn Izzy sie immer nur putzen lässt?
Als Izzy und ich kurz darauf Petra, eine weiße Schäferhündin, für ihre Kastration vorbereiten, spreche ich sie darauf an.
»Ich kann sie noch nicht auf die Patienten loslassen«, antwortet Izzy, die Petra, einer MVB -Patientin, was »mit Vorsicht zu behandeln« bedeutet, einen Maulkorb anlegt und sie zum Behandlungstisch bringt. »Sie muss den Beruf von der Pike auf lernen, genau wie ich damals. Als ich mit meiner Ausbildung angefangen habe, musste ich als Erstes die Wohnung über der Praxis putzen – das war natürlich nicht hier –, und der Tierarzt, der oben wohnte, zog dort eine junge Taube auf. Es war ekelhaft.«
Ich gebe zu bedenken, dass man der nächsten Generation von Auszubildenden nicht unbedingt die gleichen Schikanen auferlegen muss, unter denen man selbst zu leiden hatte, doch das zieht bei Izzy nicht.
»Das formt den Charakter«, beharrt sie. »Ich wäre nicht da, wo ich heute bin, wenn …«
»Schon gut, ich habe verstanden.«
Izzy reicht mir Tupfer und Spritze.
»Für dich gibt’s keine Welpen, Petra«, sage ich zu ihr, als sie am anderen Ende der Nadel das Bewusstsein verliert. Ich nehme ihr
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