Dann muss es Liebe sein
endlich wieder Ruhe einkehrt?«
»Ach, Maz, das war bloß ein blöder Spruch, wie ihn jeder mal vom Stapel lässt.« Emma zieht die Augenbrauen hoch. »Sonst noch Einwände?«
Ich schüttele den Kopf und stelle meine Bedenken zurück. Es hätte ohnehin keinen Zweck, denn Emma ist fest entschlossen, ihn einzustellen. Ich weiß es ja selbst. Wir brauchen einen dritten Tierarzt im Otter House, und ganz gleich, wie viele wir uns ansehen, ich werde bei jedem Bewerber unsicher sein. Ich werde mich immer fragen, ob er sich auch wirklich so gewissenhaft um unsere Kunden und deren Tiere kümmern wird wie Emma und ich. Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. Ich bin viel zu pingelig. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Drew nicht wunderbar zu uns passen sollte.
»Weißt du, was ich glaube?«, fragt Emma.
»Nein, weiß ich nicht, aber ich nehme an, du wirst es mir gleich verraten.«
Sie lächelt. »Ich glaube, du hast Angst davor, dass Drew dich in den Schatten stellen könnte.«
6
Privatsprechstunde
Emma steckt den Kopf zur Sprechzimmertür herein.
»Drew kommt heute an – und ich habe ihm versprochen, ihn vom Bahnhof abzuholen. Es macht dir doch nichts aus, die Morgensprechstunde zu übernehmen, oder?«, fragt sie.
»Nein, gar nicht.« In der Praxis herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Ich habe vorhin mit Izzy nach unseren stationären Patienten gesehen und entschieden, welche Tiere nach Hause entlassen werden können und welche noch bleiben müssen. Und jetzt sitze ich auf dem Tisch und warte darauf, dass der Bildschirm mir meinen ersten Termin anzeigt, obwohl ich eigentlich schon weiß, was draußen am Empfang vor sich geht.
Ich höre das Klappern von Krallen und ein Hecheln, und ich erkenne die Stimme von Mrs Dyer, die sich dafür entschuldigt, dass sie einfach ohne Termin vorbeikommt, und nachfragt, ob es vielleicht möglich wäre, kurz Emma zu sehen. Genau wie Delilah, die Westie-Hündin, die sich wieder erholt hat, seit sie auf eine hypoallergene Diät gesetzt wurde, gehört Brutus zu Emmas speziellen Patienten, und ich weiß aus Erfahrung, es wäre zwecklos, Mrs Dyer anzubieten, dass ich stattdessen ihren Hund untersuche. Also rufe ich zu Frances hinaus, dass ich nachsehen werde, ob Emma Zeit hat.
»Sagen Sie ihr, er hat ein entzündetes Auge«, weist Mrs Dyer sie an. »Ich habe es mit kaltem Tee ausgewaschen, doch es wird nicht besser.«
»Was erwartet sie denn?«, fragt Emma, als ich sie gerade noch im Flur abfange, ehe sie mit Handtasche und Schlüsseln in der Hand nach draußen eilt.
»Ich kann ihr ausrichten, sie soll später wiederkommen«, antworte ich, »oder ich fahre zum Bahnhof und hole Drew ab. Ganz wie du möchtest.«
Emma schaut auf die Uhr.
»Ich sehe mir Brutus schnell an und fahre danach gleich zum Bahnhof.« Emma folgt mir zurück ins Sprechzimmer. Sie bleibt ein bisschen zurück, und mir fällt zum ersten Mal auf, dass die Schwangerschaft ihr zu schaffen macht. Sie sollte wirklich anfangen, sich zu schonen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich erst dagegen war, schon so früh einen Vertreter einzustellen. Es ist fast einen Monat her, seit wir Drew die Stelle angeboten haben, und ihre Taille … na ja, sie hat keine Taille mehr. Ich frage mich, wie sich das anfühlt. Ist der Bauch sehr schwer? Stört er?
»Könntest du mir vielleicht assistieren, Maz?«, bittet mich Emma. »Manchmal ist Brutus ein bisschen widerspenstig.«
Und das ist noch freundlich ausgedrückt.
Er ist fast so groß wie ein Pony, und sein Hecheln und Schnaufen erfüllt das kleine Sprechzimmer mit seinem warmen Atem. Mrs Dyer steht breitbeinig über ihm, den geblümten Rock hochgezogen und eine Laufmasche in der blickdichten Strumpfhose, und ich umklammere mit beiden Händen seinen Kopf, während Emma versucht, mit einer kleinen Lampe in sein rotes, tränendes Auge zu leuchten.
»Ich werde etwas Farbstoff in das Auge geben, Christine«, sagt Emma.
»Na, dann viel Glück«, entgegnet Mrs Dyer.
Emma greift nach einer Einzeldosis Farbstoff, der in der Packung orange erscheint, sich aber beim Kontakt mit dem Auge – und mit Mrs Dyers weißer Bluse – gelblich grün verfärbt. »Ich hoffe, das geht beim Waschen wieder raus«, bemerkt Mrs Dyer spitz.
»Ich auch«, erwidert Emma, der es beim vierten Versuch endlich gelungen ist, ein paar Tropfen des Farbstoffs in Brutus’ Auge unterzubringen, fröhlich. »Sonst wird es für mich nämlich teuer. Aha, genau, wie ich vermutet habe. Der arme Brutus hat ein
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