Dann muss es Liebe sein
die Puppen präsentieren den Passanten noch immer ihre verlockende Blöße.
Ich frage mich, wie sie wohl so ist. Wird sie eine schwierige Kundin sein? Auf jeden Fall muss sie ziemlich energisch sein, wenn es nicht einmal Frances gelingt, sie abzuwimmeln. Ich nehme den Kaffeebecher, den Shannon für mich hingestellt hat, in beide Hände und trinke einen Schluck. Keine Ahnung, was sie damit angestellt hat, aber er ist lauwarm und schmeckt nach Ei mit einem Hauch von eingeäschertem Huhn. Ich unterdrücke einen angewiderten Schauer und schütte den Kaffee ins Becken, bevor ich Aurora hereinrufe.
Eine schwarze Pudelhündin – eine von den großen, nicht so ein kleines Exemplar, das man bequem auf den Schoß nehmen kann – trippelt an einer strassbesetzten rosa Leine herein. Sie niest vier-, fünfmal.
Aurora ist Ende zwanzig, schätze ich. Doch das ist schwer zu sagen bei dem dick aufgetragenen Make-up und ihrem solariumgebräunten Teint. Sie trägt schwarze Skinny Jeans, hohe Stiefel und einen gelben, an der Taille gegürteten Trenchcoat. Sie und ihr Hund sind ein beeindruckendes Paar.
»Saba wurde vergewaltigt. Auf der Gemeindewiese.« Ich sehe, wie Aurora erschauert. »Er war einfach widerlich, die Zunge hing ihm aus dem Maul, und er hat überall herumgesabbert. Tut mir leid, aber er hat mich so an meinen Exmann erinnert«, fügt sie mit einem schwachen Lächeln auf ihren bemalten Lippen hinzu. »Ich hoffe, ich habe Ihre Sekretärin vorne am Empfang nicht beleidigt – ich war vielleicht etwas forsch. Normalerweise gehe ich mit Saba ins Herrenhaus, doch in diese Praxis setze ich nie wieder auch nur einen Fuß. Der alte Mr Fox-Gifford ist einfach unglaublich unverschämt, und das ist alles seine Schuld.«
Ich lasse sie erklären, was vorgefallen ist.
»Er kam mit dem Auto angefahren und hat seine ganzen Hunde rausgelassen, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, selbst auszusteigen und sie an die Leine zu nehmen. Und dann hat dieser abscheuliche Verbrecher von einem schwarzen Labrador sie einfach besprungen. Und alle haben zugesehen.«
Ich nehme an, sie spricht von den übrigen Talytoner Hundebesitzern, die mit ihren Lieblingen auf der Gemeindewiese Gassi gehen. Und davon gibt es eine ganze Menge, etwa den Vier-Uhr-Club oder die Wackelschwänze, die sich jeden Tag zum gemeinsamen Spazierengehen treffen.
»Ich habe versucht, ihn von ihr runterzuziehen, aber er … er steckte fest.«
»Das ist bei kopulierenden Hunden ganz normal – so etwas nennt man ›Hängen‹«, sage ich, um ihr die Angst zu nehmen, Saba könnte dabei verletzt worden sein, doch Aurora schlägt eine Hand vor ihren Mund, als müsste sie sich übergeben. Ich biete ihr einen Stuhl an, was sie allerdings ablehnt, und wende meine Aufmerksamkeit wieder Saba zu (ich vermute, das ist ihr Kosename), die mit dem Pompon an ihrem Schwanzende wedelt. Sie scheint über das, was passiert ist, nicht sehr unglücklich zu sein. Tatsächlich habe ich den Verdacht, dass es ihr sogar Spaß gemacht hat.
»Dann muss ich im Talyton Manor anrufen, damit sie Sabas Akte herschicken. Das ist eine Frage der Höflichkeit unter Kollegen.« Nicht, dass der alte Fox-Gifford für seine Höflichkeit bekannt wäre, denke ich, als ich nach vorn an den Empfang gehe, um ihn trotzdem anzurufen.
»Na, dann viel Glück mit ihr. Soll das Weib doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst«, schimpft er. »Was hat sie denn erwartet? Stolziert mit diesem lächerlichen Pudel in der Gegend herum, wenn das Vieh läufig ist. Sie hat es doch geradezu herausgefordert.« Er flucht, dann wird seine Stimme etwas leiser. »Wahrscheinlich mögen sie es beide etwas härter, sie und ihr blöder Köter. Wuff.« Ich lege auf, während der alte Fox-Gifford am anderen Ende der Leitung weiterbellt. »Wuff, wuff.«
Ich hoffe, Alex endet nicht eines Tages wie sein Vater.
»Der alte Mr Fox-Gifford ist der Ansicht, dass Saba es selbst herausgefordert hat«, sage ich nach meiner Rückkehr ins Sprechzimmer.
»Saba ist doch kein billiges Flittchen. Sie hat einen erstklassigen Stammbaum«, erwidert Aurora, den Tränen nahe, und mir wird klar, wie sehr sie der Vorfall mitgenommen hat.
»Es tut mir leid.« Ich lege die Hände flach auf den Schreibtisch. »Was kann ich denn für Sie tun?«
»Ich möchte, dass Sie die kleinen Bastarde wegmachen, sie rausspülen. Können Sie nicht einen Einlauf machen, oder so etwas?«
»Ich kann ihr eine Spritze geben. Das wäre das Äquivalent zur Pille danach. Aber sind Sie
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