Dann muss es Liebe sein
Worauf ich wirklich Appetit habe, ist ein großes, weiches weißes Brötchen mit geriebenem Käse und grünem Tomatenchutney … Ich verdränge die Sorge, dass es sich dabei um Schwangerschaftsgelüste handeln könnte, und halte mir eine mentale Standpauke. Kein Grund zur Aufregung. Ich bin nur ungewöhnlich müde, und nach Frances’ haarsträubender Unterstellung spielt mir meine Fantasie einen Streich. Ich reiße mich zusammen und konzentriere mich stattdessen auf die Arbeit.
»Heute kannst du etwas über die Fortpflanzung von Hunden lernen«, sage ich, als Shannon schließlich auftaucht, um mir bei der Morgensprechstunde zu assistieren.
Ich wünschte, ich hätte am Neujahrstag auch etwas mehr über Fortpflanzung nachgedacht. Dann gäbe es jetzt keine Zweifel. Ich greife nach der Tischkante und klammere mich mit den Fingerspitzen an die Realität. Es ist genau wie bei Ginge: Pillen wirken nicht, wenn man sie nicht nimmt.
»Aurora und Saba sind da«, informiert mich Shannon. »Maz, haben Sie mich gehört?«
»Ja, danke.« Ich beiße die Zähne zusammen und greife nach meinem Stethoskop, als Aurora hereinkommt. Saba trippelt an ihrer Leine fröhlich neben ihr her.
Ich sehe sofort, dass Saba zugenommen hat, seit sie zum letzten Mal hier war, und mir wird bewusst, dass der Bund meiner Hose kneift.
»Sie bettelt ständig um Futter«, erzählt mir Aurora und hilft mir dabei, Saba auf den Behandlungstisch zu heben. »Ist das ein gutes Zeichen?«
Nur, wenn Sie gerne eine positive Diagnose hätten, denke ich, während ich Sabas Bauch abtaste und den zarten Duft von Parfüm bemerke, der aus ihrem Fell aufsteigt. Da sind die Murmeln, zwei Perlenstränge aus je vier oder fünf Welpen, die in den beiden Uterushörnern heranwachsen. Und ich mache mir Sorgen, ob ich möglicherweise mit einem Kind schwanger bin.
»Herzlichen Glückwunsch.« Fest entschlossen, meine Arbeit nicht von meinem Privatleben beeinflussen zu lassen, zwinge ich mich zu einem Lächeln. »Aber lassen Sie sie nicht gleich für acht fressen.«
»Ich bin so aufgeregt. Ich werde Großmutter.« Aurora gibt Saba einen Kuss, und die Hündin leckt ihr übers Gesicht, während ich nachsehe, ob Sabas Impfungen auf dem neuesten Stand sind und wann sie zum letzten Mal entwurmt wurde. »Wann kommen die Welpen denn?«
»In ungefähr sechs Wochen.«
»Sechs Wochen?«, fragt Aurora entgeistert.
»Das ist aber nicht lang, verglichen mit einem Menschen«, meldet sich Shannon zu Wort.
»Nein, das ist es nicht«, stimme ich ihr zu. Eine Hündin hat keine Zeit, sich Gedanken zu machen, wenn sie trächtig ist. Neun Wochen. Im Handumdrehen ist alles wieder vorbei. Und wenn die Welpen acht Wochen alt sind, endet auch die Fürsorge der Hündin, dann kommen sie in ihr neues Zuhause, wo jemand anders sie großzieht!
»Ich hoffe, dein Daddy wird darüber genauso glücklich sein wie wir.« Aurora küsst Saba erneut. »Ich weiß noch nicht, wie ich ihm beibringen soll, dass wir unsere Reise nach Saint-Tropez verschieben müssen.«
Ich schaue an meinem Praxisoberteil herunter und ziehe den Bauch ein. Ich wünschte, ich könnte bei der Aussicht auf Nachwuchs genauso aufgeregt sein wie sie. Aber ich bin starr vor Angst. Tränen schießen mir in die Augen, und ich dränge sie zurück, um vor Aurora nicht unprofessionell zu erscheinen. Ich bin ein emotionales Wrack.
»Was hast du denn jetzt vor?« Emma fängt mich in der Mittagspause ab, als ich gerade nach oben in die Wohnung will.
»Ach, bloß ein bisschen lesen, mich über ein paar Behandlungen informieren, solche Sachen«, antworte ich ausweichend.
»Mit einer eigenen Praxis schafft man es wirklich kaum, auf dem neuesten Stand zu bleiben«, entgegnet Emma unbeschwert. »Hast du schon die Vet Practice von letzter Woche gelesen? Es gibt ein paar interessante Entwicklungen bei der lokalen Behandlung von allergischen Hauterkrankungen.«
»Wird noch erledigt«, sage ich, obwohl ich in Gedanken bei ganz anderen potenziell interessanten Entwicklungen bin. »Wolltest du noch etwas von mir?«
»Nein, es sei denn, du möchtest den nächsten Brief an Mr Victor schreiben – ich denke, das wird der letzte sein. Wir haben uns endlich auf ein angemessenes Schmerzensgeld für ihn und den Captain geeinigt.«
»Das ist doch nicht fair – der Captain hatte einen Mordsspaß.«
»Es ist auch nicht viel. Die Summe reicht gerade für ein paar Flaschen Wein und das eine oder andere Kilo Litschis. Mr Victor sagt, es gehe ihm nicht ums
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