Dann muss es Liebe sein
nicht sofort wieder bei Emma. Ich will sie nicht stören. Erst ein paar Tage später schleiche ich mich während der Mittagspause mit meinem Handy nach draußen in den Garten hinter dem Otter House. Tripod spaziert schnurrend auf mich zu, als Ben rangeht.
»Emma ist wieder zu Hause, sie ruht sich aus. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie schon in der Verfassung ist, mit jemandem zu reden.«
»Dann rufe ich später noch mal an, einverstanden?«, schlage ich vor und bemerke gleichzeitig ein paar braune Federn in Tripods Maul.
»Sie meldet sich bei dir, wenn sie bereit dafür ist.«
»Es geht ihr doch gut, oder?«, frage ich, unbefriedigt von seiner Antwort. Habe ich sie, ohne es zu wissen, gekränkt? Glaubt sie, mir wäre ihr Baby egal gewesen? Ich könnte verstehen, wenn sie es so auffasst. Schließlich habe ich auch nur durch Zufall erfahren, dass es sich bei dem Kind um ein Mädchen handelte. Ich habe Emma nie danach gefragt.
»Den Umständen entsprechend.«
»Und wie geht es dir?« Ich beuge mich vor und ziehe einen Federklumpen aus Tripods Maul. Es ist ein lebendes Vogeljunges.
»Ich versuche, mich nicht unterkriegen zu lassen.«
»Gut.« Ich stecke das Vogeljunge, von dem ich vermute, dass es sich um ein Rotkehlchen handelt, in die Tasche meines Praxisoberteils und hoffe, dass es nicht am Schock stirbt, bevor ich wieder drinnen bin. »Was ist mit Miff? Soll ich sie bei euch vorbeibringen?«
»Würde es dir etwas ausmachen, sie noch ein bisschen bei dir zu behalten, wenigstens, bis die Beerdigung vorbei ist?«
»Nein, das mache ich doch gerne.«
»Und es wäre schön, wenn du zur Beerdigung kommen könntest. Donnerstag um elf. Im kleinen Kreis, nur ich, Emma, meine Eltern und du. Und Alex, wenn du ihn mitbringen möchtest. Kein Schwarz.«
»Ich werde da sein«, verspreche ich, obwohl ich weiß, dass das eines jener Versprechen ist, die zu halten schwerfällt. »Ben, alle hier im Otter House lassen euch grüßen. Wir denken an euch.«
»Und redet über uns, nehme ich an.« Ben seufzt. »Schon gut – ich kenne euch ja. Bloß schade, dass keiner von euch an Emma gedacht hat, ehe ihr die Neuigkeit in der ganzen Stadt rumgetratscht habt. Ich habe bereits eine Magenverstimmung von den ganzen Schmortöpfen und Obstkuchen, die die Mitglieder des Frauenvereins uns vorbeibringen. Ganz zu schweigen von ihrem Mitgefühl.«
»Ich weiß nicht …«
»Das war Frances. Es muss Frances gewesen sein.«
»Es hat sie ziemlich mitgenommen.« Sie hat sich auch auf das Baby gefreut, aber das sage ich nicht laut, denn Ben hat genug mit seinem eigenen Kummer zu tun, da möchte ich ihm nicht auch noch den anderer Leute aufhalsen.
»Ich weiß nicht, warum ich allen anderen Vorwürfe mache. Es war meine Schuld. Ich hätte sie gleich ins Krankenhaus bringen sollen, als sie sagte, dass sich das Baby nicht mehr bewegt.« Er flucht. Ben flucht sonst nie. »Ich bin Arzt, verdammt noch mal, und ich habe sie einfach im Stich gelassen. Meine fantastische, wundervolle Frau.« Ich höre ein Schluchzen, dann ist die Leitung tot. Während ich wieder zurück ins Haus gehe, starre ich noch immer auf das Display meines Handys und versuche dabei, nicht über Tripod zu stolpern.
»Izzy«, rufe ich auf dem Weg auf die Station, »wo sind Sie?«
»Hier«, ruft sie vom Behandlungstisch zurück, wo sie die neu gelieferten Medikamente sortiert.
»Ich habe ein Geschenk für Sie.« Ich hole das Vogeljunge aus meiner Tasche. »Eigentlich ist es ja von Tripod.«
»Armes Kerlchen«, sagt Izzy und mustert es genauer.
»Es steht unter Schock, aber ich dachte, wir versuchen es wenigstens.«
»Ich finde schon ein warmes, ruhiges Plätzchen für ihn. Verzieh dich, Tripod«, fügt sie hinzu. »Sie müssen ihm ein Glöckchen umhängen, Maz. Oder schneiden Sie ihm noch ein Bein ab, dann kann er nicht mehr so schnell laufen.«
»Izzy, das ist nicht Ihr Ernst!« Ich weiß, dass Katzen von Natur aus Jäger sind, und die Vorstellung einer dezimierten Vogelpopulation gefällt mir auch nicht, aber insgeheim freue ich mich darüber, dass Tripod endlich der Auffassung zu sein scheint, ich würde ein Geschenk verdienen. »Stört es Sie, wenn ich kurz verschwinde und ein paar Blumen besorge? Ich dachte, ich schicke Emma einen Strauß von uns allen.«
»Ich habe ihr schon ein paar Blumen vorbeigebracht«, antwortet Izzy. »Und, ehrlich gesagt, im Moment muss ich jeden Penny zusammenhalten – mir war nie bewusst, wie viel so eine Hochzeit kostet.«
»Ist das
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