Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
anstrengendes, lautes und erziehungsresistentes Gör, heimtückisch zur Flucht ansetzt: Einmal umgedreht, und schon ist der Knilch verschwunden. Ich sehe ihn gerade noch feixend und grölend in der Menge der anderen Museumsbesucher verschwinden – und jage ihm auch schon hinterher, während sich vor meinem inneren Auge diverse Schreckensszenarien abspielen: Ferdinand Karl Theodor, wie er das komplette Museum kurz und klein schlägt. F-K-T, wie er wildfremde Kinder als Geisel nimmt und sich mit ihnen über Wochen im Büro des Museumsdirektors verschanzt. Die Folge: Lebenslanges Hausverbot für mich und alle Familienangehörige bis in die übernächste Generation, weil wir F-K-T hier überhaupt eingeschleust haben.
Die Phantasie verleiht mir Flügel; Ich lege noch einen Zahn zu und habe den kleinen Flitzer tatsächlich hinter der nächsten Biegung eingeholt. Wie gut, dass dieses Kind nicht nur unerzogen, sondern auch noch gänzlich unsportlich ist. Während der Junge auf dem letzten Loch pfeift, schleife ich ihn ganz entspannt und völlig ausgeruht zurück zum Rest der Gesellschaft.
»Äääääh – lass mich sofort los, du Kuh! Was, wenn mich die anderen sehen?« Kreischend und greinend versucht Ferdinand Karl Theodor – ohne nennenswerten Erfolg – sich aus meinem Schraubstockgriff zu winden.
»Vergiss es, Kleiner!«, zische ich böse »Ich halte täglich acht Stunden lang OP-Haken. Aus dem Griff käme nicht einmal Indiana Jones raus!«
Triumphierend schleppe ich den sich heftig sträubenden Knaben also zurück zum Eingangsbereich, wo ich höchst eindrucksvoll verkünde, jedes unerlaubte Entfernen von der Truppe mit einem An-Josephines-Hand-durch-die-komplette-Ausstellung zu quittieren. Die Gesichter der Jungs sprechen Bände. Dieses Thema ist erst einmal erfolgreich vom Tisch.
Die nächste Stunde verläuft dann ungleich ruhiger. Alle Kinder vergnügen sich brav mit den gebotenen Experimenten und Spielen, während der Gatte und ich entspannt im Museumscafé sitzen und Kaffee trinken. Herr Chaos besorgt gerade Nachschub, während ich intensiv überlege, ob dies der ideale Ort für ein »Schatz-wir-bekommen-ein-Baby«-Gespräch sein könnte, als plötzlich Kevin Marlon vor mir steht – 1,75 Meter groß, 95 Kilogramm schwer, ein Kind wie ein Baum.
»Na, mein Großer, möchtest du etwas trinken?« Leidlich irritiert blinzle ich zu dem Riesenbaby hoch – der Kerl hat mich jetzt völlig aus dem Konzept gebracht.
»Ja, rote Bratwurst!«
»?!?!?!?!«
Habe ich mich irgendwie undeutlich ausgedrückt? Oder ist »rote Bratwurst« neuerdings gleichbedeutend mit »Sehr gerne, bitte eine Apfelschorle!«?
Vielleicht habe ich mich ja auch einfach nur verhört? Dann also ein neuer Versuch:
»Kevin Marlon, möchtest du etwas TRINKEN ?«
»Ja, rote Bratwurst!«
Okay, das hätten wir also geklärt!
»Junge, du hattest vor nicht einmal 45 Minuten vier belegte Brötchen und sechs Stücke Schokoladentorte. In nicht einmal zwei Stunden gibt es reichlich Pizza – bis dahin wirst du es sicher auch ohne Wurst aushalten. Ich frag dich also noch einmal: Möchtest du jetzt etwas TRINKEN ?«
Kevin Marlon zieht die Stirn in Runzeln, kratzt sich ausführlich den Bauch, den Kopf und dann seinen imaginären Bart, bevor sich sein Blick aufhellt, als wäre ihm just ein Licht aufgegangen.
»Ja, dann Eis!«
Als Herr Chaos mit zwei Tassen Kaffee zurück zum Tisch kommt, bitte ich ihn, K-M zwei Euro für eine Fanta zu spendieren, die der Knabe augenblicklich in zwei nicht genehmigte Donuts investiert, die er wiederum in zweieinhalb Bissen hinunterschlingt. Okay, ich habe es aber zumindest versucht.
Knapp zwei Stunden später sammeln wir dann alle Kinderlein unversehrt wieder ein. Kaum an den Autos angelangt, bricht gleich schon wieder ein Krieg los.
»Ich will aber mit Dirk-Justin fahren!«
»Ich aber nicht mit Dscharlie!«
»Ich will neben Giulio Giovanni sitzen!«
»Ich kann auf gar keinem Fall neben Erkan sitzen!«
Am lautesten brüllt jedoch Herr Chaos, dass er nämlich keinesfalls bereit sei, Kevin Marlon und Ferdinand Karl Theodor erneut in einem, nämlich seinem Wagen, von A nach B zu transportieren.
»Pffff – Weichei!«, brumme ich übellaunig »Du musst den Jungs nur klare Ansagen machen, dann spuren die auch!«
»Ja, Schatz, dann mach das mal schön. Lass sie spuren! Du schaffst das! Ich fahr derweil den Rest nach Hause!«
Und noch bevor ich irgendeinen weiteren Einwand vorbringen kann, ist der Herr
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