Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
selbigem gerissen zu werden. Frau von Sinnen trällert ein für diese Uhrzeit total unangemessen fröhliches »Du kannst jetzt zur Geburt kommen!« in den Hörer, und ich stolpere gehorsam und im völligen Tran zur Tür, schmeiß erst den Kittel über, entschließe mich dann doch, auch noch Hose und Schuhe anzuziehen und verlasse den Dienstbrüter. 500 Flurmeter, drei Stockwerke und zwei Schnappschlosstüren später bin ich leidlich wach gelaufen. Im Kreißsaal blinzeln gerade die ersten Sonnenstrahlen durchs Fenster, als ich dem Geräuschpegel in von Sinnens Lieblingskreißsaal V (uterusrot!) folge, wo Frau Zilowski schnaufend und wimmernd in ihrem Kreißbett hängt, während sich die Hebamme – selten gut gelaunt – in Schlachtrufen und Anfeuerungschorälen ergeht.
»Ja, super, weiter so, ganz toll, prima! Ja! Ja! Das ist es! DAS ist es! Noch einmal! Meeeeeeeeeeeeehr!«
Wahnsinn ! In gerade mal fünf Sekunden bin ich hellwach gebrüllt, und nach einer weiteren Presswehe ploppt das Köpfchen auch schon blitzeblau über dem mütterlichen Damm – die Nabelschnur dreimal fest um den Hals gewickelt. Weitere 45 Minuten später ist der kleine Dammriss vorschriftsmäßig vernäht und versorgt, Eltern und Säugling liegen glücklich lächelnd im Familienzimmer, und ich schaffe es sogar noch, adäquat zu frühstücken, bevor ich – standesgemäß in Kind-Verabschiedungsklamotten geschmissen – die Klinik absolut pünktlich verlasse. Versprochen ist schließlich versprochen!
Noch während ich freundlich winkend am Hauptpförtner vorbei zum Chaos-Wagen sprinte, denke ich versonnen, dass es doch kaum Schöneres auf der Welt gibt, als nach durchstandener Nachtschicht die Klinik zu verlassen. Alle Menschen, die einem jetzt entgegenkommen, sind auf dem Weg zu ihrer Arbeit. Nur ich, Dr. Josephine Chaos, darf nach Hause gehen. Oder shoppen, laufen, verreisen – und eben mein Kind verabschieden! All das ohne schlechtes Gewissen, denn ich habe schließlich schon gearbeitet. Hah! Und nicht nur läppische acht Otto-Normalverdiener-Stunden. Nein! Es waren derer gleich 24! Dreimal so viel! Das komplette Paket!
Ich denke wohl, es ist der Schlafentzug, der glücklich macht. Dieses aufgeräumte »Ich-hab-gerade-die-ganze-Welt-gerettet«-Gefühl. Großartig ist das. Super! Dafür lohnen sich Dienste. Und nach einem ordentlichen Frühstück mit Kaffee, Semmeln und Ei kann ich mich anschießend vielleicht noch ein, zwei Stündchen aufs Ohr legen …
Ist das Leben nicht schön? Doch, ist es! Und das mit dem Baby – das erklär ich dem Herrn Chaos auch noch. Ganz bestimmt. Morgen …
Tausche Kindergeburtstag gegen Wertheim-Meigs-OP
Dreimal im Jahr herrscht absoluter Ausnahmezustand im Hause Chaos, und jeder, der selbst Kinder hat, weiß, wovon ich spreche: Vom KINDERGEBURTSTAG!
Ich bin nun schon seit 17 Jahren geburtstagserprobt, was den eigenen Nachwuchs angeht. Habe davor – als zweitältestes Kind vieler Geschwister – schon in frühester Jugend Heerscharen von Nachbarskindern und Schulfreunden meiner Geschwister durch Topfschlag- und Sackhüpfen-Wettbewerbe geführt. Ich kann jedes beliebige Motiv freihändig auf mit Guß überzogene Torten malen, Kinderolympiaden und mehrstündige Schnitzeljagden aus dem Ärmel schütteln (inklusive Schatzfindung und Siegerehrung). Aber jetzt werde ich wohl langsam alt, denn heute hätte ich sehr gerne eine Sechs-Stunden-Wertheim-Meigs-OP gegen die zwölf testosterongesteuerten Überzwerge getauscht, die zum Geburtstag unseres Kindes im Hause Chaos angetreten sind!
Eigentlich sind es ja sogar nur zwei Kerle, die schlussendlich den kompletten Laden auseinandergenommen haben … Doch eins nach dem anderen. Beginnen wir die Geschichte von vorne.
Während wir die obligatorische Kaffeetafel noch halbwegs gesittet über die Bühne bekommen, droht der Rest des fünfstündigen Geburtstagsmarathons im völligen Tumult zu versinken. Da es in Zeiten von ADS – mit und ohne »H« –, elterlicher Erziehungsverweigerung und sonstiger Katastrophen geradezu unmöglich ist, gleichzeitig mehr als drei Kinder langfristig unter Kontrolle zu halten, haben Herr Chaos und ich uns für den Besuch eines »Mitmach-und-Erlebnis«-Museums entschieden. Dieses schien extrem geeignet zu sein, ganze Horden halbwüchsiger Knaben auch über Tage hinweg adäquat zu beschäftigen. Die Situation droht jedoch bereits im Kassenbereich außer Kontrolle zu geraten, als Ferdinand Karl Theodor, ein unsäglich
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