Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Tisch.
»Jepp! Der ist bestimmt froh, Fancy-Nancy ein wenig ›zur Hand‹ gehen zu können!«
Es hat dann tatsächlich noch geschlagene eineinhalb Stunden gedauert, bis Übi, Nancy The Fancy, zwei hinzugerufene Schwestern der Chirurgie und eine Schwesternschülerin die laut schnarchende Patientin mit vereinten Kräften vom Gyn-Stuhl zurück ins Bett und anschließend in die Obhut der Urologen verfrachten konnten. Eine weitere Stunde dauerte es, bis Dr. Überzwerg dem oberärztlichen Kollegen Harnstau verklickert hatte, dass Frau Breit gynäkologisch UND chirurgisch unauffällig sei und zwingend auf die urologische Station zurückmüsse. Gerüchten zufolge wäre es beinahe zur Eskalation der beiden Fachrichtungen gekommen, inklusive Schlägerei und allem Drum und Dran, wäre nicht just in letzter Sekunde ein chirurgischer Notfall dazwischengekommen, der Überzwerg und die schöne Nancy augenblicklich in den OP zwangen.
Frau Breit wurde im Übrigen zwei Tage später bei völligem Wohlbefinden und ohne das kleinste bisschen Zyste nach Hause entlassen und hat – einer Elefantendosis Schmerzmittel sei Dank – keinerlei Erinnerung mehr an diesen spektakulären Abend.
Notkaiserschnitt für Anfänger und Fortgeschrittene
Einige Menschen fragen mich immer wieder, warum ich mir in meinem biblischen Alter und mit drei – bald vier – Kindern nicht eine gemütliche, kleine Praxis suche, wo ich bis an mein Arbeitnehmer-Ende nichts anderes mehr machen muss, als einem geregelten Nine-to-five-Job nachzugehen. Keine Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste. Und vor allem kein herzinfarktgefährdender Adrenalinüberschuss. So wie neulich im Dienst.
»JOSEPHINE – KREISSSAAL !«
Ich hab den Hörer noch nicht richtig am Ohr, als am anderen Ende der Leitung schon wieder aufgelegt wird. Trotzdem ist alles ganz klar – glasklar! Denn diese zwei Worte bedeuten nichts anderes als: Das ist ein Notfall!
Der Weg von meinem Dienstzimmer im vierten Stock der Klinik bis hin zum Kreißsaal führt unendlich lang erscheinende Klinikflure entlang, drei Stockwerke tiefer und dann den Gang hinunter, der am Operationstrakt vorbeiführt, bis man endlich, erschöpft und ausgepumpt, vor der beeindruckenden Doppel-Schnappschlosstür steht, welche das Reich der Hebammen vom Rest der Klinik trennt. Im normalen Tagesgeschäft braucht man für diese Strecke gute fünf Minuten. Heute sind es genau 44 Sekunden, und hören kann ich es schon auf dem Weg dahin. Ein Geräusch, welches mir binnen Millisekunden das Adrenalin hochgeschwindigkeitsmäßig in den Blutkreislauf schießt.
»TOOOOOOOOOOCK ..... TOOOOOOOOOOOOCK ...... TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCK .............«
Das »O« des letzten »CTG-Tock« zieht sich so erschreckend in die Länge, dass ich fürchte, es könne den Kreißsaal verlassen haben, bevor ich dort eingetroffen bin. Das ist NICHT die richtige Frequenz für kindliche Herztöne, das ist noch nicht einmal die richtige Frequenz für Amöben … – ich steh bereits vorm Kreißbett, wo Gloria-Victoria gerade über die Verweilkanüle eine Mega-Portion Wehenhemmung in die Frau schießt.
»Okay – was ist los?« Mein Blick wandert zum CTG-Streifen – bäh, unschöne Badewanne, das!
»Badewannen« malt das CTG-Gerät, wenn die Kind-Krickelkrakel-Herztonkurve von wohltuend normalen 140 Schlägen pro Minute auf jetzt nur noch 50 Schläge abgefallen ist. Im Idealfall muss die Höllenfahrt sich dann für einige (hoffentlich kurze) Zeit auf niedrigem Niveau halten, um dann baldmöglichst wieder auf den normalen Ausgangswert zurückzufinden. Unserer Badewanne fehlt aktuell jedoch die rechte Seite. Wir befinden uns also immer noch bei schweißtreibenden 50 Schlägen pro Minute. Nicht schön!
»Wehe?«
Eine sehr langanhaltende Kontraktion kann schon mal die Herztöne in den Keller befördern. Wehenhemmer geben hilft da eigentlich sehr gut.
Meistens.
Haben wir probiert.
Hilft nicht.
»Nee – keine Wehe!« Gloria schwitzt ein bisschen.
»Blutet sie?«
Eine vorzeitige Lösung des Mutterkuchens verursacht ebenfalls schwache Herztöne. Klar – keine Sauerstoffversorgung, keine Herzaktion. Gemeinschaftlich heben wir die Decke über der Schwangeren an – nein, kein Blut …
»Nabelschnur?«
Manchmal schiebt sich die Nabelschnur zwischen Köpfchen und Beckenausgang. Und durch den Druck des Köpfchens dreht Baby sich die Sauerstoffversorgung quasi selbst ab.
»Ich habe sie gerade untersucht. Keine
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