Danse Macabre
wenn ich alles, was
ich über das Horror-Genre gesagt und geschrieben habe, auf
einen einzigen Satz beschränken müßte (und viele Kritiker
werden sagen, genau das hätte ich tun sollen, ha-ha), dann
wäre es dieser. Es ist nicht die Art und Weise, wie Erwachsene
den Tod sehen; es ist eine grobe Metapher, die keinen Raum
läßt für die Möglichkeiten Himmel, Hölle, Nirwana oder die
alteTheorie, wie das Rad des Karma sich weiter dreht und wir
es im nächsten Leben packen, Leute. Es ist eine Ansicht, die
sich - wie die meisten Horror-Filme - nicht an eine philosophische Spekulation über das »Leben nach demTod« richtet,
sondern sie spricht lediglich von dem Augenblick, da wir
schließlich dieses Erdendasein hinter uns lassen müssen. Dieser Augenblick desTodes ist der einzige Durchgangsritus, und
der einzige, für den wir keinerlei psychologische oder soziologische Eingabe haben, die erklären könnte, welche Veränderungen wir als Resultat des Durchgangs erwarten dürfen. Wir
wissen nur, daß wir gehen müssen, und wir haben zwar einige
Regeln der - wie soll man sagen, Etikette? - bezüglich dieses
Themas, aber der eigentliche Augenblick hat die Eigenschaft, die Leute unvorbereitet zu erwischen. Menschen sterben beim Geschlechtsverkehr, in einem Fahrstuhl, während
sie Münzen in eine Parkuhr stecken. Einige sterben mitten
beim Niesen. Einige sterben in Restaurants, andere in billigen Stundenhotels, einige wenige, während sie auf dem Klo
sitzen. Wir können uns nicht darauf verlassen, daß wir im Bett
oder in Kampfstiefeln sterben. Daher wäre es wahrhaftig bemerkenswert, wenn wir denTod nicht ein wenig fürchten würden. Er ist halt einfach da, nicht wahr, der große, unteilbare
Faktor X in unserem Leben, der gesichtslose Vater Hunderter
Religionen, und er ist so saumlos und ungreifbar, daß normalerweise nicht einmal bei Partys über ihn gesprochen wird. In
den Horror-Filmen wird der Tod zum Mythos, aber wir müssen uns darüber im klaren sein, daß Horror-Filme denTod auf
der einfachsten Ebene mythifizieren: Der Tod im HorrorFilm ist, wenn uns das Monster erwischt.
Wir Horror-Fans haben gesehen, wie Menschen erschlagen
wurden, wie sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden
(Vincent Price als Witchfinder General in AIPs The Conqueror Worm [dt: Der Hexenjäger], sicher einer der abstoßendsten Horror-Filme, die in den sechziger Jahren von einer
Filmgesellschaft in den Verleih gebracht wurden, wurde am
Ende dieses Films regelrecht gekocht), wie sie erschossen, gekreuzigt wurden, wie man ihnen Nadeln durch die Augen
stach, wie sie von Grashüpfern, Ameisen, Dinosauriern und
sogar von Küchenschaben gefressen wurden; wir haben gesehen, wie Menschen geköpft wurden (The Omen, Friday the
13th, Maniac), wie man ihnen das Blut ausgesaugt hat, wie sie
von Haien verschlungen wurden (wer könnte vergessen, wie
in Jaws die zerrissene und blutige Luftmatratze des kleinen
Jungen ans Ufer getrieben wird?) und von Piranhas; wir
haben böse Menschen in Treibsandlöchern untergehen
sehen, in Säurebädern; wir haben gesehen, wie unsere Mitmenschen zerquetscht, gestreckt und zu Tode gebläht wurden; am Ende von Brian De Palmas The Fury explodiert John
Cassavetes buchstäblich.
Liberale Kritiker, deren Konzepte von Zivilisation, Leben
und Tod im allgemeinen komplexer sind, werden diese Auflistung blutigen Abschlachtens sicher stirnrunzelnd sehen und
sie (im besten Fall) als moralisches Äquivalent davon sehen,
Fliegen die Flügel auszureißen, und im schlimmsten Fall als
Lynchmob bei der Arbeit. Aber dieser Vergleich mit dem Flügelausreißen hat etwas, das einer Untersuchung wert ist. Es
gibt wenige Kinder, die an irgendeinem Punkt ihrer Entwicklung nicht einmal einer Fliege die Flügel ausgerissen haben
oder die geduldig auf dem Gehweg kauerten, um zuzusehen,
wie ein Käfer stirbt. In der Eingangsszene von The Wild
Bunch verbrennt eine Gruppe glücklicher kichernder Kinder
einen Skorpion - ein Beispiel für das, was Menschen, die
wenig über Kinder wissen (oder denen wenig an ihnen liegt),
häufig irrtümlich als »Grausamkeit von Kindern« bezeichnen. Kinder sind selten absichtlich grausam, und sie foltern
noch seltener, wie sie dieses Konzept verstehen*, sie können
jedoch in Experimentierlaune töten und denTodeskampf des
Käfers auf dem Gehweg auf dieselbe klinische Weise betrachten, wie ein Biologe dem Sterben eines Meerschweinchens
zusehen kann, nachdem es Nervengas eingeatmet hat. Wir
erinnern uns, daß sich Tom
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