Danse Macabre
Eigenschaften
verändert wird, wird der Autor anfangen sich zu fühlen wie
der unglückliche Harrison Bergeron. Das hat Ellison, der für Star Trek (dt: Raumschiff Enterprise), The Outer Limits und The Young Lawyers geschrieben hat, meiner Meinung nach
ein wenig verrückt gemacht. Aber wäre er das nicht, wäre es
unmöglich, ihn zu respektieren. Seine Verrücktheit ist ein
wenig wie das purpurne Herz, wie Joseph (Police Story) Wambaughs Magengeschwüre. Es gibt keinen Grund, warum ein
Autor nicht auf einer regelmäßigen, allwöchentlichen Basis
für das Fernsehen arbeiten kann; er braucht dazu nicht mehr
als ein niederes Alphawellenmuster und muß das Schreiben
als geistiges Äquivalent davon sehen, Colakisten auf einen
Lieferwagen zu laden.
Ein Teil davon liegt an Vorschriften der Bundesregierung,
und ein Teil davon ist Beweis für die Maxime, daß Macht korrumpiert und totale Macht total korrumpiert. In praktisch
jedem amerikanischen Haushalt steht ein Fernseher, und finanziell steht eine Unmenge auf dem Spiel. Als Folge dessen
ist das Fernsehen im Lauf der Jahre immer vorsichtiger geworden. Es ist zu einem fetten und trägen alten Kater geworden, der unbedingt den Status quo erhalten will und dem
Konzept des am wenigsten kontroversen Programms folgt.
Das Fernsehen ist tatsächlich wie der dicke, weinerliche
Junge, den wir alle aus der Nachbarschaft kennen, der dicke,
ängstliche Junge, der weinte, wenn man ihm zwei hinter die
Löffel gab, der Junge, der immer schuldbewußt aussah, wenn
der Lehrer fragte, wer die Maus in die Schreibtischschublade
getan hatte, der Junge, auf dem immer herumgehackt wurde,
weil er immer Angst hatte, daß auf ihm herumgehackt werden würde.
Die schlichte Tatsache des Horrors in jedem Medium …,
das Urgestein des Horrors, könnte man sagen, ist ganz einfach folgendes: Man muß dem Publikum Angst machen. Früher oder später muß man die gruslige Maske aufsetzen und
hui-bui gehen. Ich erinnere mich noch an einen Angestellten
der aufstrebenden New York Mets Organisation, der sich um
die ungewöhnlichen Menschenmassen sorgte, die diese vom
Glück verfolgten Bengel anzogen. »Früher oder später werden wir diesen Leuten auch Steaks zu den Beilagen servieren
müssen«, drückte dieser Bursche es aus. Dasselbe gilt für
Horror. Der Leser wird sich nicht für immer mit Umschreibungen und Dunst hinhalten lassen; früher oder später
mußte selbst der große H. P. Lovecraft zeigen, was in der
Krypta oder im Kirchturm lauerte.
Die meisten großen Regisseure des Genres haben sich entschieden, den Horror volle Kraft voraus zu präsentieren;
dem Zuschauer einen großen Brocken davon in den Hals zu
stopfen, bis er fast erstickt, und dann den Zuschauer weiter
zu führen, ihn zu narren und jeden Cent des psychologischen
Interesses an dieser ursprünglichen Angst auszusaugen.
Was jeder Möchtegern-Horror-Regisseur natürlich als allererstes studiert, ist der definitive Horror-Film des Zeitraums, den wir hier behandeln - Alfred Hitchcocks Psycho. Hier haben wir einen Film, in dem Blut auf einem Minimum
und Schrecken auf einem Maximum gehalten wurde. In der
berühmten Duschszene sehen wir das Messer, und wir sehen
Janet Leigh; aber wir sehen niemals das Messer in Janet
Leigh. Sie denken vielleicht, Sie haben es gesehen, aber Sie
haben es nicht. Ihre Phantasie hat es gesehen, und das ist
Hitchcocks größter Triumph. Das einzige Blut, das wir in dieser Szene sehen, fließt den Abfluß hinunter.*
Psycho wurde im Fernsehen noch nie zur besten Sendezeit
gezeigt, aber wenn man die fünfundvierzig Sekunden in der
Dusche wegließe, könnte es fast ein Fernsehfilm sein (jedenfalls was den Inhalt anbelangt; stilistisch ist er Lichtjahre von
den üblichen Fernsehstreifen entfernt). Hitchcock serviert
uns ein großes, rohes Steak des Schreckens schon auf halbem
Wege durch den Film. Der Rest, sogar der Höhepunkt, das
sind nur noch Beilagen. Ohne die fünfundvierzig Sekunden
wird der Film fast langweih’g. Trotz seines Rufs ist Psycho ein
bemerkenswert zurückhaltender Horror-Film; Hitchcock hat
sich sogar entschieden, in Schwarzweiß zu drehen, weil das
Blut unter der Dusche nicht wie Blut aussehen sollte, und
eine häufig erzählte Geschichte - die mit Sicherheit apokryph
* Die brutaleren Horror-Filme würde ich nicht von Psycho ableiten, sondern von zwei nicht zum Genre gehörenden Filmen, die in lebensechten, blutigen Farben gedreht wurden: Sam Peckinpahs The Wild Bunch und Arthur Penns Bonnie and
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