Danse Macabre
noch lange danach Alpträume hatte, in denen
es vorkam. Um ihre Neugier zu stillen, fand eine Freundin
aus New York für sie heraus, daß das Haus, äußerlich unversehrt, lediglich eine Hülle war, da ein Feuer das Bauwerk
innen verwüstet hatte … In der Zwischenzeit durchsuchte sie
Zeitungen, Zeitschriften und Bücher nach Bildern von Häusern, die hinreichend aussahen, als würde es darin spuken;
schließlich fand sie in einer Zeitschrift ein Bild von einem
Haus, das genau richtig zu sein schien. Es sah dem bösen Bauwerk, das sie in New York gesehen hatte, sehr ähnlich: >… es
hatte dieselbe Aura von Verfall und Verwesung, und wenn je
ein Haus wie ein Kandidat für ein Gespenst ausgesehen hat,
dann dieses.< Der Bildunterschrift war zu entnehmen, daß
sich das Haus in einer Stadt in Kalifornien befand; daher
schrieb sie ihrer Mutter in Kalifornien einen Brief, in der
Hoffnung, daß diese ihr weiterhelfen könnte. Wie sich herausstellte, kannte ihre Mutter das Haus nicht nur, sondern lieferte ihr die erstaunliche Information, daß es von Miß Jacksons Urgroßvater erbaut worden war.«*
Heh-heh-heh, wie der Gruftwächter zu sagen pflegte.
Auf der einfachsten Ebene folgt Hill House dem Plan jener
Erforscher des Übernatürlichen, über die Miß Jackson gelesen hatte: Es ist die Geschichte von vier Geisterjägern, die
sich in einem übel beleumundeten Haus treffen. Geschildert
werden ihre Abenteuer dort, am Ende kommt es zu einem
furchterregenden, rätselhaften Höhepunkt. Die Geisterjäger
- Eleanor, Theo und Luke - sind auf Einladung eines Dr.
Montague gekommen, eines Anthropologen, dessen Hobby
das Erforschen übersinnlicher Phänomene ist. Luke, ein junger Klugscheißer von einem Kerl (in RobertWisesVerfilmung
des Buches bemerkenswert verkörpert von RussTamblyn),
ist als Repräsentant der Besitzerin, seiner Tante, anwesend;
er betrachtet die ganze Sache als Spaß …Jedenfalls am Anfang. Eleanor undTheo wurden aus unterschiedlichen Gründen eingeladen. Montague hat in den Akten verschiedener
Gesellschaften zur Erforschung paranormaler Erscheinungen geforscht und eine große Zahl von Personen eingeladen,
die schon früher mit »abnormalen« Ereignissen konfrontiert
worden sind - die Einladungen besagten natürlich, daß es diesen »speziellen« Leuten gefallen könnte, einen Sommer mit
Montague in Hill House zu verleben. Eleanor undTheo sind
die beiden einzigen, die darauf reagierten, beide aus unterschiedlichen Gründen. Theo, die hinreichend überzeugende
Fähigkeiten mit den Rhine-Karten demonstriert hat, hat mit
ihrem momentanen Liebhaber Schluß gemacht (in dem Film
wird Theo - gespielt von Ciaire Bloom - als Lesbierin dargestellt, die ein Auge auf Eleanor geworfen hat, in Jacksons
Roman findet sich gerade die leiseste Andeutung, daß Theos
sexuelle Vorlieben nicht hundertprozentig hetero sein könnten).
* Aus: Shirley Jackson, von Lenemaja Friedman (Boston: Twayne
Publishers, 1975), S. 121. Ms. Friedman zitiert direkt aus Shirley Jacksons Schilderung, wie ihr eigenes Buch zustande kam; Miß Jacksons
Schilderung wurde in einem Artikel mit demTitel »Experience and Fiction« veröffentlicht.
Aber der Roman dreht sich im Grunde genommen fast nur
um Eleanor, auf deren Haus Steine herabregneten, als sie ein
kleines Mädchen war, und die Figur Eleanors, und wie Shirley Jackson sie zeichnet, hebt The Haunting of Hill House in
die Ränge der großen unheimlichen Romane - ich selbst
finde sogar, daß dieses Buch und James’ The Turn of the Screw die beiden einzigen wirklich großen, unheimlichen Romane
der vergangenen hundert Jahre sind (wenngleich wir zwei
Kurzromane hinzufügen könnten: Machens »The Great God
Pan« [dt: »Der große Gott Pan«] und Lovecrafts »At the
Mountains of Madness« [dt: »Berge des Wahnsinns«]).
»Fast alle Personen des neuen amerikanischen Schauerromans sind in der einen oder anderen Form narzißtisch; sie
sind Schwächlinge, die versuchen, ihre eigene Voreingenommenheit Wirklichkeit werden zu lassen.«
Versuchen wir diesen Schuh bei Eleanor, und wir werden
feststellen, daß er perfekt paßt. Sie ist auf besondere Weise
mit sich selbst beschäftigt, und in Hill House findet sie einen
riesigen und monströsen Spiegel, der ihr eigenes verzerrtes
Gesicht reflektiert. Sie ist eine Frau, die durch ihr Familienleben und ihre Erziehung auf profunde Weise verkümmert war.
Wenn wir im Inneren ihres Verstandes sind (und das ist fast
immer, mit Ausnahme des ersten und des letzten
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