Danse Macabre
Schicksal
transzendieren kann, so er/sie es versteht.
Das klingt alles ziemlich hochtrabend; was ich, einfach ausgedrückt, damit sagen will, ist, daß die alltäglichen Ereignisse, die unsere Aufmerksamkeit kommandieren, so groß,
so phantastisch, so unwahrscheinlich sind, daß niemand, der
nicht den Pfad des Wahnsinns beschreitet, mit dem fertig werden kann, was herunterkommt.*
Die Geiseln in Teheran, die Entführung von Patty Hearst,
die getürkte Biographie von Howard Hughes und sein anschließender Tod, das Drama von Entebbe, die Ermordung
von Kitty Genovese, das Massaker von Jonestown, der HBomben-Alarm vor einigen Jahren in Los Angeles, Watergate, der Hillside-Würger, die Manson Family, die Ölverschwörung: sie alle sind melodramatisch und übertrieben,
und sie zu beschreiben, ohne lächerlich zu wirken, liegt au
* Das erinnert mich an etwas, das sich während desWorld-Fantasy-Konvents 1979 zugetragen hat. Ein Reporter von UPI stellte mir die ewige
Frage: »Warum lesen die Leute diese Horror-Geschichten?« Meine
Antwort war im Grunde genommen die von Harlan: Man versucht,
den Wahnsinn in einem Marmeladenglas einzufangen, damit man ein
wenig besser damit zurechtkommen kann. Die Leute, die Horror
lesen, sagte ich zu dem Reporter, sind verdreht, aber wenn man nicht
ein wenig verdreht ist, wird man mit dem Leben im späten zwanzigsten
Jahrhundert überhaupt nicht zurechtkommen. Die Schlagzeile, die
UPI den Zeitungen des ganzen Landes zukommen ließ, war vorhersehbar und genau das, was ich verdiente, weil ich so metaphorisch zu
einem Zeitungsreporter gesprochen hatte: KING SAGT , SEINE FANS SIND
VERDREHT . Mund aufmachen, Fuß hineintreten, Mund zumachen.
ßerhalb der Möglichkeit von Verfassern nachahmender Literatur. Und doch ist das alles geschehen. Wenn Sie oder ich versuchen würden, einen Roman über so etwas zu schreiben,
würden wir selbst vom dümmsten Kritiker ausgelacht werden.
Ich will nicht das alte Sprichwort zitieren, daß die Wahrheit
stärker als die Literatur ist, denn ich sehe nicht, daß eines dieser Ereignisse die >Wahrheit< oder die >Wirklichkeit< widerspiegelt. Vor zwanzig Jahren wäre schon die Vorstellung von
internationalem Terrorismus unvorstellbar gewesen. Heute
ist er eine Tatsache. So normal, daß wir Khomeinis Frechheit
entmannt und hilflos gegenüberstehen. Dieser Mann ist im
Handumdrehen zur bedeutendsten öffentlichen Gestalt unseres Jahrhunderts geworden. Kurz gesagt, er hat die Realität einfach dadurch manipuliert, daß er kühn war. Er ist zu
einem präzisen Inbegriff für die Hilflosigkeit unserer Zeit geworden. In diesem Wahnsinnigen haben wir ein Beispiel von
einem, der - wenn auch subkutan - begreift, daß die Wirklichkeit unendlich manipulierbar ist. Er hat geträumt und den
Rest der Welt gezwungen, in diesem Traum zu leben. Daß es
für den Rest der Welt ein Alptraum ist, interessiert dabei
nicht. Was dem einen sein Utopia …
Aber ich denke, sein Beispiel ist im kathexischen Rahmen
endlos wiederholbar. Was er getan hat, das versuche ich in
meinen Stories zu tun. Jedermanns Existenz in der Literatur
zu verändern … Und durch das Verändern, durch Einfügen
eines paradigmatischen Fantasy-Elements dem Leser/der Leserin zu gestatten, das, was er/sie in der umgebenden Richtschnur als gegeben ansieht, auf eine leicht veränderte Weise
zu sehen. Ich hege die Hoffnung, daß die frisson, der winzige
Schock einer neuen Sehweise, der kleine Funke, das Akzeptierte aus einem ungewohnten Blickwinkel zu betrachten, sie
davon überzeugen kann, daß es Raum genug und Zeit genug
gibt, die eigene Existenz zu verändern, wenn man nur den
Mut aufbringt.
Meine Botschaft ist stets dieselbe: Wir sind die besten, einfallsreichsten, potentiell die gottgleichsten Geschöpfe, die
das Universum jemals hervorgebracht hat. Und jeder Mann
und jede Frau besitzen die Fähigkeit, das wahrgenommene
Universum nach seinen oder ihren Vorstellungen zu verändern. Meine Geschichten sprechen alle von Mut und Ethik
und Freundschaft und Zähigkeit. Manchmal tun sie das mit
Liebe, manchmal mit Gewalt, manchmal mit Schmerzen
oder Kummer oder Freude. Aber sie alle präsentieren die selbe Botschaft: Je mehr man weiß, desto mehr kann man
tun. Oder wie Pasteur es ausgedrückt hat: >Der Zufall bevorzugt den Verstand, der bereit ist.<
Ich bin Anti-Entropie. Mein Werk ist unerschütterlich für
das Chaos. Ich führe mein Leben persönlich und mache
meine Arbeit professionell; ich halte die Suppe am
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