Danse Macabre
sagen
wir einmal bis Psycho (dt: Psycho) als Lobgesang auf die
verstopfte Pore. Ich habe angedeutet, daß es Menschen mit
vollen Bäuchen vielleicht unmöglich sein könnte, wirklichen
Horror zu empfinden. Gleichermaßen mußten die Amerikaner ihre Vorstellungen von körperlichen Makeln deutlich begrenzen - und deshalb hat der Pickel so eine wichtige Rolle in
der sich entwickelnden Psyche des amerikanischenTeenagers
gespielt.
Natürlich sitzt jetzt möglicherweise jemand dort draußen,
der mit einer ernsten Mißbildung zur Welt gekommen ist, der
bei sich murmelt: Komm mir nicht mit Mißbildungen, du
Arschloch …, und es ist sicher richtig, daß es Amerikaner mit
Klumpfüßen gibt, Amerikaner ohne Nasen, amputierte Amerikaner, blinde Amerikaner (ich habe mich gefragt, ob sich
die Blinden Amerikas durch den McDonald’s-Werbespot diskriminiert fühlten, der folgendermaßen geht: »Keep your
eyes on your fries …«-»Behalte deine Fritten im Auge …«).
Neben so ernsten körperlichen Schäden von Gott, dem Menschen oder der Natur wirken ein paar Pickel ungefähr so ernst
wie ein Nietnagel. Aber ich möchte auch darauf hinweisen,
daß in Amerika ernste körperliche Schäden (wenigstens bisher) mehr die Ausnahme als die Regel waren. Gehen Sie eine
gewöhnliche Straße in Amerika entlang, und zählen Sie die
ernsten körperlichen Makel, die Sie sehen. Wenn Sie drei
Meilen gehen können und dabei mehr als ein halbes Dutzend
zählen, dann liegen Sie eine Meile über dem Durchschnitt.
Schauen Sie nach Menschen unter vierzig, denen die Zähne
bis zum Zahnfleisch abgefault sind; Kindern mit aufgedunsenen Bäuchen, die bevorstehenden Hungertod andeuten;
Leuten mit Narben von Windpocken - Sie werden vergeblich
suchen. Im A & P werden Sie niemanden mit offenen, wunden Stellen im Gesicht oder Geschwüren an den Armen oder
Beinen finden; würden Sie an der Ecke Broad-und MaineStraße eine Kopfuntersuchungsstelle aufstellen, dann würden Sie, wenn Sie hundert Köpfe untersuchten, bestenfalls
vier oder fünf wirklich schlimme Fälle von Läusen finden.
Solche Fälle und andere Leiden findet man in weißen, ländlieben Gegenden und in den Innenstädten, aber in den Städten
und Vororten Amerikas sehen die meisten Menschen gut aus.
Das Aufkommen von Selbsthilfekursen, der wachsende Kult
persönlicher Entwicklung (»Ich werde etwas anspruchsvoller
werden, wenn es dir nichts ausmacht«, wie Erma Bombeck
sagt) und das zunehmend weiter verbreitete Hobby der Nabeischau, das alles sind Anzeichen dafür, daß sich große Zahlen der Amerikaner, wenigstens vorläufig, der Realität des
Lebens, wie sie für den größten Teil der Welt ist, angenommen haben - dem Überlebenstrip.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemandem mit schwerer
Unterernährung viel an Ich bin o. k. - du bist o. k. gelegen
ist, oder daß jemand, der mit seiner Frau und seinen acht Kindern ein Leben am Rande des Existenzminimums führt, auch
nur einen Pups auf Werner Erhards Est-Kurs oder Rolfing
gibt. So etwas ist für reiche Leute. Kürzlich hat Joan Didion
ein Buch über ihre eigene Odyssee durch die sechziger Jahre
geschrieben, The White Album. Ich vermute, daß es für reiche Leute ein ziemlich interessantes Buch ist: die Geschichte
einer wohlhabenden weißen Frau, die es sich leisten konnte,
ihren Nervenzusammenbruch auf Hawaii zu haben - das
Äquivalent der siebziger Jahre, in denen man sich um Pickel
sorgte.
Wenn die Horizonte menschlicher Erfahrung auf HOMaßstab schrumpfen, verändern sich die Perspektiven. Für
die Kriegsbabies, die in einer Welt mit Routineuntersuchungen im Sechsmonatsrhythmus, Penizillin und ewiger Zahnregulierung sicher waren (abgesehen von der Bombe), wurde
der Pickel zum schlimmsten körperlichen Makel, mit dem
man auf der Straße oder in der Schule gesehen werden
konnte; den meisten anderen Abweichungen war vorgebeugtworden. Und da wir gerade von Zahnregulierung sprechen,
möchte ich hinzufügen, daß viele Kinder, die in jenen Jahren
des großen, fast übermächtigen Wohlstandsdrucks Zahnspangen tragen mußten, diese als eine Art Makel betrachteten ab und zu konnte man den Ruf »Heh, Metallmund!« auf den
Fluren hören. Aber die meisten Menschen betrachteten sie lediglich als eine Form der Behandlung, die nicht bemerkenswert war, etwa wie ein Mädchen, das den Arm in der Schlinge
trug, oder einen Footballspieler mit einem Ace-Verband über
dem Knie.
Aber gegen den Pickel gab es kein Heilmittel.
Und jetzt kommt I Was a Teenage
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