Danse Macabre
AIPs The Pit and the Pendulum (dt: Das Pendel des
Todes) sehen wir eine weitere Facette des schlimmen Todes vielleicht des schlimmsten überhaupt. Vincent Price und
seine Kohorten brechen durch eine Mauer in eine Gruft,
wobei sie Pickel und Schaufeln verwenden. Sie stellen fest,
daß die Dame, seine verstorbene Frau, tatsächlich lebendig
begraben worden ist; nur einen Augenblick zeigt uns die Kamera ihr gepeinigtes Gesicht, das in einem Ausdruck des Entsetzens erstarrt ist, die hervorquellenden Augen, die krallenähnlichen Finger, die gespannte und graue Haut. Nach den
von Hammer produzierten Filmen wird das, glaube ich, zum
bedeutendsten Augenblick des Horror-Films nach den sechziger Jahren, signalisiert er doch eine Rückkehr zum breitangelegten Versuch, das Publikum zu entsetzen …, und eine Bereitwilligkeit, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen,
um das zu tun.
Andere Beispiele gibt es im Überfluß. Kein Vampirfilm
kann vollständig sein ohne einen mitternächtlichen Streifzug
zwischen den Grabsteinen oder das Aufbrechen einer Grufttür. John Badhams Remake von Dracula (dt: Dracula) hat
enttäuschend wenig gute Szenen, aber eine recht gute Sequenz ist die, als Van Helsing (Laurence Olivier) das Grab seiner Tochter Mina verlassen vorfindet … und eine Öffnung
auf seinem Boden, die tiefer in die Erde hinabführt. * Es handelt sich um englisches Bergbauland, und wir erfahren, daß
der Hügel, wo der Friedhof angelegt wurde, von Tunneln
durchzogen ist. Van Helsing steigt dennoch hinab, und nun
folgt der beste Ausschnitt des Films - er ist klaustrophobisch
* Van Helsings Tochter? höre ich Sie mit berechtigtem Mißfallen sagen.
Ja, wahrhaftig. Leser, die mit Stokers Roman vertraut sind, werden
feststellen, daß Badhams Film (und das Bühnenstück, auf dem er basiert) gegenüber dem Roman einige Veränderungen auf weist. Was die
innere Logik des Films anbelangt, scheinen diese Veränderungen von
Handlung und Verwandtschaftsbeziehungen zu funktionieren, aber zu
welchem Zweck? Die Veränderungen bewirken nicht, daß Badham
etwas Neues über den Grafen speziell oder den Vampir-Mythos allgemein sagt, und meines Erachtens gab es keinen logischen Grund dafür.
Aber wie allzu oft können wir nur achselzuckend sagen: »That’s Showbiz.«
und gänsehauterzeugend und erinnert an Henry Kuttners
klassische Geschichte »The Graveyard Rats«. Van Helsing
verweilt einen Augenblick bei einer Lache, da ertönt die
Stimme seiner Tochter hinter ihm, die einen Kuß von ihm erfleht. Ihre Augen funkeln unnatürlich; sie ist immer noch in
ihr Totenhemd gekleidet. Ihr Fleisch hat eine eklige grüne
Farbe angenommen, und sie steht schwankend in dem unterirdischen Gang wie ein Wesen aus der Apokalypse. In diesem
einen Augenblick hat Badham uns nicht nur gefragt, ob wir
die Tabugrenze mit ihm überschreiten wollen; er hat uns
buchstäblich über sie hinweg gestoßen und damit in die Arme
eines verwesenden Leichnams - eines Leichnams, der um so
gräßlicher wirkt, weil er im Leben so sehr den konventionellen amerikanischen Standards von Schönheit entsprach: jung
und gesund. Das dauert nur einen Augenblick, und der Film
hat keine zweite ähnliche Szene zu bieten, aber solange er andauert, ist es ein guter Effekt.
3
»Man soll die Bibel nicht ihres Stils wegen lesen«, hat W. H.
Auden in einem seiner besseren Augenblicke gesagt, und ich
hoffe, daß ich bei dieser formlosen kurzen Diskussion über
den Horror-Film einen ähnlichen Makel vermeiden kann. Ich
habe vor, auf den folgenden Seiten verschiedene Gruppen
von Filmen aus den Jahren 1950 bis 1980 zu behandeln und
mich dabei auf einige Liaisonpunkte, von denen ich bereits
gesprochen habe, zu konzentrieren. Wir werden uns über ein
paar Filme unterhalten, die in ihrem Subtext unsere konkreteren Ängste (soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische) anzusprechen scheinen, und dann einige, die von allgemeinen Ängsten handeln, welche in allen Kulturen vorhanden sind und sich von Ort zu Ort nur gering unterscheiden.
Später werden wir Bücher und Kurzgeschichten auf dieselbe
Weise betrachten …, aber wir können danach hoffentlich
einen Schritt weitergehen und verschiedene Bücher und
Filme dieses wunderbaren Genres ganz für sich allein betrachten - nicht deswegen, was sie tun, sondern deswegen,
was sie sind. Wir werden versuchen, die Gans nicht aufzuschneiden, um herauszufinden, wie sie goldene Eier gelegt
hat (ein chirurgisches Verbrechen, das Sie jedem Englischlehrer an
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