Dante Valentine 01 - Teufelsbraut
auf, während das Glühen des Katana immer mehr an Kraft verlor, bis nur noch ein schwaches phosphorfarbenes Glimmen blieb.
Erst Minuten später erwachten meine Ringe wieder zum Leben, als meine Psinergiemeridiane endlich zum Normalzustand zurückfanden. Alle verfügbare Psinergie floss in die Glyphe. Sie begann zu pulsieren, entfaltete sich in der Luft und erstrahlte in gleißendem Silberweiß. Dann spannte ich die wirbelnde, dreidimensionale Glyphe – wie eine Bogensehne oder eine Kobra, kurz bevor sie zustößt.
Ich stimmte den tiefen Ton an, der die Glyphe entfesseln würde – so tief, dass meine Stimmbänder ihn gerade noch erzeugen konnten. Ich formte sie, bis es mir gelang, einen Rückstoßableiter in den Zellenboden zu zwingen. Sollte die Glyphe abprallen oder die Tür abgeschottet sein, wollte ich den Rückstoß nicht kassieren. Sollte der Stein ihn auffangen.
Die nächsten Sekunden dehnten sich endlos, alles schien stillzustehen. Die Welt erstarrte wie ein Holovid-Standbild. Und dann entlud sich die Glyphe und raste dem tauben Fleck in der Wand entgegen.
Ein gleißender Lichtblitz versengte mir die Augen, und heißer Schmerz strömte von der linken Schulter aus durch meinen ganzen Körper. Als mein Kopf wieder klar war, sah ich, dass es geklappt hatte.
Vor mir kam eine eisenbeschlagene Tür mitsamt Knauf und Schlüsselloch zum Vorschein. Ich atmete lange und zufrieden aus.
„Na schön“, flüsterte ich und stand auf. Mein linkes Bein war eingeschlafen, und so hüpfte ich ungelenk vor und zurück und schnappte tonlos nach Luft, während fiese kleine Nadeln in meinem Fleisch wüteten. „Damit bin ich dann wohl wieder im Rennen.“
36
Eine gefühlte Stunde später – die vermutlich nur fünfzehn Minuten dauerte – drückte ich, das Katana bereit, die Tür auf. Vor mir erhob sich eine in den Stein gehauene Treppe, und mir entwich ein Seufzer. Na klar. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn zur Abwechslung mal was leicht gegangen wäre. Mit zitternden Beinen stieg ich vorsichtig die Stufen hinauf. Mein Nacken brannte wie Feuer, meine Schultern waren angespannt wie Brückenseile, und in meinen Eingeweiden tobte ein Feuerwerk aus Schmerzen.
Nach der 174. Stufe war ich oben angekommen und stand erneut vor einer Tür. Die hier war schon schwieriger zu knacken, und in mir wollte gerade Panik aufwallen, als das Schloss endlich nachgab. Mit einem unangenehmen Quietschen schwang die Tür langsam nach innen und gab den Blick frei auf etwas, womit ich nun wirklich nicht gerechnet hatte.
Vor mir lag ein weiter, hoher Raum, der vollständig in Weiß gehalten war: weißer Marmorboden, ein großes weißes Bett unter einem Moskitonetz, ein leerer Kamin aus ebenfalls weißem Marmor, davor ein weißer Ledersessel, und vor dem Fußende des Bettes ein weißer Teppich, der sich nach genauerem Hinsehen als das Fell eines Eisbären entpuppte. In mir regten sich Abscheu und Wut, doch ich unterdrückte sie.
Die hohen Balkontüren am anderen Ende des Zimmers standen offen, und hauchdünne Vorhänge flatterten in der schwülen Brise, die von draußen hereinwehte. Das Prasseln von Regen drang an mein Ohr, und es roch nach Orangen.
Raus. Bloß raus hier. Sieh zu, dass du hier wegkommst.
Ich hatte schon den halben Weg geschafft, als ich plötzlich seine Stimme hörte.
„Ich bin beeindruckt, Ms. Valentine. Luzifers Vertrauen in Sie scheint gerechtfertigt. Ich hatte frühestens in sechs Stunden mit Ihnen gerechnet. Ich hoffe, Sie hatten genug Zeit, sich wieder zu beruhigen.“
Seine Stimme war eisig, hoch und von mörderischer Psinergie durchtränkt. Und dann konnte ich es riechen: Eis und Blut; blinde weiße Maden, die sich durch einen toten Körper wühlen – der Geruch, der meine Albträume geschwängert hatte. Fünf lange Jahre hindurch.
Ich fuhr herum und riss mein Schwert in die Höhe, bereit zum Angriff. Blaues Feuer umströmte die Klinge und tropfte zu Boden. Plötzlich hatte ich am ganzen Körper eine Gänsehaut.
Runter, Doreen, runter …
Das Spiel ist aus.
Er stand am Kamin, eine seiner feingliedrigen Hände auf die Sessellehne gelegt. Die schwarzen Tränen über seinen Augen schluckten das bleiche Marmorlicht. Ein weißer, maßgeschneiderter Leinenanzug umspielte lässig den dünnen Dämonenkörper. Durch das fransige dunkle Haar lugte ein Paar spitz zulaufender Ohren. Meine Hände zitterten, aber das Katana blieb ruhig. Das Extramesser unter meiner Jacke glitt aus seiner verborgenen Scheide,
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