Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Schweißfilm gebildet. Ich fragte mich, ob sie ihr Kinn wohl einer Laserbehandlung oder einer Hormonbehandlung unterzogen hatte, um die Bartstoppeln loszuwerden. „Vermutlich ist es das Schicksal, das nach all den Jahren zuschlägt. Glauben Sie an Schicksal, Dante Valentine?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht mehr als jeder andere Magi-trainierte Nekromant auch.“
Sie lachte unsicher. „Das ist wirklich lustig. Ich war in eine Verschwörung verwickelt, bei der ein Beamter der Hegemonie getötet werden sollte. Werden Sie mich verhaften?“
Jetzt musste auch ich lachen. „Nicht sehr wahrscheinlich. Ist irgendwas dran an dem Gerücht, dass jemand sich in einen Schmarotzer verwandelt und sich mit ihm einen Zweikampf geliefert hat?“
„In gewisser Weise vermutlich schon.“ Polyamour schauderte.
Meine Nasenlöcher bebten, und ich sah ihre Angst, die sie wie Hitzewellen abstrahlte. Die Angst einer Sexhexe riecht wie ein angenehmer, betörender Duft, und die Pheromone drängen sich jedem im Raum auf. Menschen und Nichtvren mögen diesen Duft, Psione reagieren besonders sensibel auf die Pheromone einer Sexhexe, egal, ob sie sie aus Angst oder Erregung absondert; Werwölfe und Kobolde nehmen ihn gar nicht erst wahr.
Und ich? Es fiel mir schwer, nicht auf die Wölbung ihrer Kehle zu blicken, wo ihr Puls schlug. Bei ihrem Geruch verspürte ich Hunger. Außerdem roch sie – nur ein klein wenig – nach bernsteinfarbenem Moschus und brennendem Zimt, ein Geruch, der mir Japhrimels Berührung in Erinnerung rief, seinen erschöpften, zitternden Seufzer, als er sein Gesicht an meinem Hals verbarg und der Geschmack von Dämonenblut mir den Mund verbrannte. Es ist unwirklich. Es besteht nur aus Chemikalien und Psinergie. Sie hat einfach nur Angst.
Polyamour griff an die Halskette mit dem Pik, schloss ihre langen karamellfarbenen Finger darum, zerriss die Kette mit einem Schnipser Energie und hielt sie hoch. „Sie haben dafür gesorgt, dass es aufhörte.“ Ihre Augen folgten dem Pik, das glänzend hin- und herschwang. „Oder Keller hat das getan.“
Ich atmete nur noch ganz flach, um nicht noch mehr von dem köstlichen, elektrisierenden Duft zu inhalieren, der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. „Keller?“
Ihre Mundwinkel zuckten. „Unser furchtloser Anführer. Ich…“ Sie zitterte. Dann schwang sie plötzlich die Beine vom Sofa, stellte die Kaffeetasse auf dem Tablett ab und kam mit einer geschmeidigen Bewegung auf die Füße, wie das nur jemand kann, der kampftrainiert ist. Das war sehr interessant. Sexhexen eignen sich normalerweise nicht für Kampftraining; bei ihnen verwandelt sich Furcht in Verlangen, und das macht sie unfähig, sich zu wehren. „Sie wissen es doch“, sagte sie tonlos. „Sie wissen, wie schlimm es war.“
Ich schluckte. Der Kaffee verwandelte sich in meinem Mund zu Asche, aber wenigstens überlagerte sein Geschmack den verlockenden Duft. Ich fragte mich, ob sie ihn uns deshalb angeboten hatte. „Ich war viermal im Käfig. Aber ich weiß, die Sexhexen hatten es schwer.“
„Oh. Schwer.“ Sie machte eine abwinkende Handbewegung und ging ein paar Schritte von uns weg. Jetzt konnte ich wieder atmen, ohne in ihren Pheromonen zu ertrinken. „Schwer. Wir wurden auf jede nur denkbare Art gevögelt, Valentine. Das war nicht schwer. Wirklich schwer war, dass das Schwein in unserem Gehirn rumfummelte, während er oder einer seiner Kumpane alles in seine jeweilige Lieblingsöffnung steckte, was ihm gerade Spaß machte. Wenn man eine Sexhexe ist, lernt man sehr früh, dass der Körper einen betrügt – der Geist ist es, den man zu einer uneinnehmbaren Festung ausbauen muss. Die Seele. Wenn diese widerliche alte Made einem im Kopf rumfummelte…“ Sie wandte uns den Rücken zu. Sie zitterte so sehr, dass ihre dunklen Locken auf und ab wogten.
„Sekhmet sa’es“, wisperte ich. Wenigstens die paar Kubikzentimeter in meinem Gehirn hatten mir gehört. Egal wie sehr sie verödeten, es waren immer noch meine.
Selbst in den schlimmsten Momenten hatte ich immer noch meine Bücher gehabt, den harten Kern unsterblicher Geschichten, jede einzelne eine Erinnerung daran, wie sehr Lewis mich geliebt hatte und wie stark ich sein konnte. Meine Bücher und mein Gott, unerschöpfliche Kraftquellen in der uneinnehmbaren Festung meines Kopfes. Ich hatte wirklich Glück gehabt.
Glück. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich das mal so sehen würde.
Polyamour drehte sich wieder zu uns
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