Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Direktor seine Schüler missbraucht hatte. Psione wurden von vielen gleichermaßen gehasst wie gefürchtet, im besten Fall zähneknirschend akzeptiert. Die Hegemonie brauchte uns, wir standen unter dem Schutz des Gesetzes – aber im öffentlichen Leben war alles noch mal ganz anders.
Mein Magen zog sich zusammen. Das war die Realität unserer modernen Welt, aber sie verursachte mir dennoch Übelkeit. Es war annehmbarer, dass er uns missbrauchte, als dass wir uns gegen ihn zur Wehr setzten. Denn wenn Psione schon als Kinder töten können, was hat man dann erst von den Erwachsenen zu erwarten? Waren sie dann nicht – vielleicht – viel zu gefährlich, um sie leben zu lassen? Das war doch die logische Schlussfolgerung aus diesem Gedankengang, nicht wahr?
Jace deutete eine Bewegung an. Ich verstand das, was er mir sagen wollte, ebenso gut, als hätte er es mir telepathisch mitgeteilt.
„Keller?“
„Kellerman.“ Polyamour seufzte.
Der Name sagte mir nichts. „Den habe ich wohl nie kennengelernt.“
„Ich wage zu bezweifeln, dass Sie sich an ihn erinnern würden. Er war außerordentlich unscheinbar.“
„Kellerman?“
Polyamour zuckte zusammen – ich gab mir keine Mühe, leise zu sprechen, und das ganze Zimmer erbebte, das Tablett klapperte auf dem knarzenden Tisch, die Gardinen an den Fenstern flogen auf und warfen blasse Schatten an die Wände, die ein kaum hörbares Stöhnen von sich gaben. Ich fragte mich, ob ihr Körper sie im Stich ließ, ob sie gegen das Bedürfnis ankämpfte, sich mir zu Füßen zu werfen und vor mir zu katzbuckeln.
Ich unterdrückte einen Schauder und dankte meinen Göttern, dass ich nicht als Sexhexe auf die Welt gekommen oder zur Brüterin gemacht oder als Zwangsarbeiterin in eine der Kolonien geschickt worden war. Oder eins von tausend anderen Dingen, die hätten passieren können.
Dennoch… es wäre so leicht gewesen, ihr ein wenig Angst einzujagen, nur ein ganz klein wenig, und wieder ihre köstliche, allumfassende Reaktion zu spüren.
„Das war ein Spitzname. Kellerman Lourdes. Seine Eltern waren Jesusjünger. Sie kamen bei einem Gleiterunglück in einer der Kolonien ums Leben.“ Polyamour atmete leise aus. „Was wollen Sie sonst noch wissen?“
„Wozu die Schmarotzerglyphen? Und wer war noch in die Sache verwickelt?“ Allmählich bildete sich ein Muster aus all diesen scheinbaren Zufälligkeiten heraus, und die Puzzlestücke ließen sich an die richtige Stelle legen. Aber es waren immer noch nicht genug Puzzlestücke, und es ging auch nicht annähernd schnell genug.
„Das wusste nur Keller. Wir haben uns immer in dem Bootshaus getroffen – erinnern Sie sich noch an den Schuppen? Wie auch immer, keiner von uns kannte mehr als die Person, die er angeworben hatte – immer nur eine – und Keller. Das Thema Verschwiegenheit nahm er sehr ernst. Meine Aufgabe war es, Keller und die anderen an den Sicherheitssystemen vorbeizuschmuggeln.“
„Die anderen?“ Man sollte doch meinen, sie würde alles, was sie jemals über Keller und Mirovitch gewusst oder geahnt hat, ausplaudern, dachte ich genervt. Aber sie war blass, und sie zitterte, und nur die Energieladung, die sie von mir erhalten hatte, verhinderte, dass sie zusammenbrach. Wenn die Erinnerung die Narben auf meinem Rücken wieder öffnen und dafür sorgen konnte, dass ich beinahe in einen Schockzustand abglitt – wenn die Erinnerung in Eddies Kopf laut genug widerhallte, dass er selbst nach all diesen Jahren noch zitterte, und die legendäre Polyamour dazu brachte, die sorgfältig gehütete Kontrolle über sich zu verlieren, dann verdiente sie ein paar Sekunden und alle Freundlichkeit, zu der ich fähig war.
Noch dazu, wo ich fast vor Verlangen bebte, etwas Unverzeihliches zu tun, nur damit ich alles für ein paar Minuten vergessen konnte. Gekaufter Sex war mir immer unverständlich gewesen.
Bis jetzt.
„Ich vermute, Yasrule war eine von ihnen. Vielleicht. Sicher bin ich mir nicht.“ Ihre wohltönende Stimme klang erstickt, und Tränen traten ihr in die Augen.
„Sie waren nicht dabei? Wie konnten Sie das Sicherheitssystem abschalten und…“
„Er liebte Orgien.“ Es war eindeutig, wann sie von Mirovitch sprach, ihre Stimme hatte dann etwas ängstlich Flüsterndes und drückte gleichzeitig tiefste Abscheu aus. „Also brachte ich ihm Frischfleisch, und ich brachte ihm Keller. Ich musste ihm ganz nah kommen und…“
„Sekhmet sa’es“, flüsterte ich. „Die eine, die Sie angeworben hatten,
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