Dante Valentine 02 - Hoellenritt
wir eintraten. Rechter Hand führte eine aufwendig gearbeitete Treppe in den ersten Stock. Ich folgte Gabe nach oben und ließ dabei die Finger über das Treppengeländer gleiten. Jede einzelne Stufe war mit einem Abwehrzauber belegt, der unangenehm summend gegen meine Haut drückte. Ich roch Bienenwachs und etwas Muffiges, das darauf hindeutete, dass hier nur eine Person gelebt hatte – und das in einem Riesenhaus, das Stille und Einsamkeit ausstrahlte.
„Ich war ein paarmal mit ihm unterwegs, damals, als ich noch mit dir zusammen war“, antwortete Jace leichthin. „Ich habe gemeinsam mit ihm ein paar Aufträge erledigt – meistens Blutdienste. Wir haben uns allerdings nie bei ihm getroffen, er hatte immer Ausflüchte parat.“
„Blutdienste.“ Mord. Vor langer Zeit wäre ich mal bereit gewesen zu schwören, dass es nichts gab, was ich über Jace nicht wusste, aber das hier war mir völlig neu. Ich war vor Auftragsmorden immer zurückgeschreckt, auch wenn Jace gesagt hatte, dass man damit einen Haufen Geld verdienen konnte. Ich hatte ihn nie gefragt, was seine Aufträge so alles mit sich brachten – ich hatte ihm blind vertraut. „Wie war er sonst so?“
„Gut. Abgebrüht. Nicht sonderlich von Zweifeln geplagt.“ Seine Aura berührte meine, und ich erschauderte.
Ganz anders als ich. Das einzige Mal, dass du das Thema Auftragsmord angeschnitten hast, bin ich dir beinahe an die Gurgel gegangen. Wie oft bist du von einem Blutdienst gekommen und direkt zu mir ins Bett gestiegen? Hattest du jemals vor, mir das irgendwann zu erzählen, Jace, oder hast du gedacht, ich würde es sowieso nie rausfinden? Ich schluckte meinen Ärger hinunter. Das war Schnee von gestern. Darüber musste ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Nicht jetzt, während ich einen Mörder jagen musste und mich der Fürst der Hölle wieder belästigte.
Richtig erleichternd, etwas Unangenehmes zu finden, über das ich nicht nachzudenken brauchte.
„Er ist oben im Schlafzimmer.“ Gabes Schultern waren verkrampft. „Es ist… na, ihr werdet es ja gleich selbst sehen. Hast du schon was rausgefunden, Danny? Irgendetwas?“
So verzweifelt klang sie normalerweise nie. „Ich werde mich so bald wie möglich mit Polyamour treffen. Wie es aussieht, war Steve Sebastiano an der Verschwörung gegen Mirovitch beteiligt.“ Ich schilderte ihr alles in knappen Sätzen, einschließlich der Markierungen in dem Jahrbuch – vermutlich das Einzige, was auch nur annähernd nach einem Verbindungsglied aussah. Oben führte Gabe uns den Flur entlang und an zwei weiteren Streifenpolizisten vorbei. Sie brauchte mir nicht zu sagen, in welchem Raum Aran sich befand. Die aufgebrochene Tür und der süßliche Blutgeruch sprachen Bände. Wenn man den Tod eine Zeit lang gerochen hat, macht einem der Geruch von Blut nicht mehr so viel aus… jedenfalls nicht auf der bewussten Ebene.
Die anderen Gerüche, die ebenfalls in der Luft hingen, waren sehr viel interessanter. Ich atmete tief ein – Abschirmungen und noch mehr Abschirmungen, dicht und engmaschig über jeden Zentimeter Wand und Boden verteilt. Auf einem Sockel stand eine marmorne Büste von Adrien Ferriman, dem Begründer des Parapsycho-Gesetzes; sein vertrauter, missmutiger Blick schien den Flur entlangzuschweifen.
Überlagert wurde alles von den menschlichen Ausdünstungen der beiden Bullen sowie von dem Geruch von Jace und Gabe. Mit geschlossenen Augen atmete ich nochmals tief ein. Menschliches Blut, menschlicher Schweiß, Schutzmagik und…
Ich sog so viel Luft wie möglich in die Lungen. Das ist es. Ich roch Innereien, Magik und Rasierwasser. Ich versuchte, alles andere auszublenden, sogar das pulsierende Brennen in meiner Schulter, und holte wiederum tief Luft.
Ich kannte diesen Geruch. Staub, Innereien, Magik, Rasierwasser, Kreide und Leder.
Der Geruch des Büros. Des Büros des Direktors.
Ein Schauder durchlief mich vom Scheitel bis zur Sohle. Meine Nervenenden bebten und stimmten ein blutrünstiges Lied an. Der Weg zu meiner Beute zeichnete sich deutlich vor mir ab. Doch gleichzeitig überfiel mich Angst, würgende, panische Angst. Die Angst eines Kindes, das man in einen Raum ohne Licht eingesperrt hat.
Sei vorsichtig, flüsterte Japhrimels Stimme in meinem Hinterkopf. Er kann dir nichts mehr tun, Hedaira. Du bist außerhalb seiner Reichweite. Ich spürte, wie eine warme Hand mein Gesicht berührte, mir sanft über die Wange strich und weiter über den Hals zu meiner Brust
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