Dante Valentine 03 - Feuertaufe
Gesicht, auch wenn mein früheres Menschsein nur noch andeutungsweise erkennbar war. Ich musterte mich eingehend und zog eine Schnute. Zum ersten Mal war ich froh, das zu sehen, was Japhrimel aus mir gemacht hatte.
Meine Zulassungstätowierung stach auf der goldenen Haut meiner linken Wange deutlich hervor. Meine Haare waren nicht so lang wie früher, aber sie waren auch kein zusammengestutzter Wirrwarr, sondern strichen mir seidig über die Schultern.
Ich schloss die Augen. Meine Fingernägel kratzten über das Porzellan, als ich mich zu konzentrieren versuchte.
Es ging nicht. Ich ließ mich auf die Knie sinken und lehnte den Kopf an das Becken.
Ein paar Atemzüge später war es endlich so weit. Ich tauchte in den Bereich unterhalb des Bewusstseins ein, an den Ort, wo ein anderer Puls pochte als der meines Herzens.
Blaue Kristallwände erhoben sich rings um mich. Der Saal war riesig, erstreckte sich bis in die dunkle Unendlichkeit der Sterne und in die tiefsten Tiefen. Ich überquerte die Brücke. Ich war barfuß, spürte groben Kies unter den Sohlen, die Kälte nassen Felsens, von dem meine Schritte widerhallten, Der Smaragd erstrahlte und nährte einen hellen Kokon, der mich davor bewahrte, von der Brücke herab in den Brunnen der Seelen gestoßen zu werden. Hierher kamen keine Lebenden – nur solche wie ich.
Nekromanten.
Auf der anderen Seite der Brücke saß der schwarze Hund und wartete, die spitzen Ohren aufgestellt. Zum Gruß legte ich die rechte Hand auf Herz und Stirn, eine Ehre, die ich außer Anubis niemandem erweisen würde. Einzig dem Gott des Todes. Meine Lippen formten den Laut, der seinem Namen entsprach.
Was wünschst Du von mir, mein Gebieter? Ich bin Dein Kind.
Er warf den Kopf zurück. Ein dünnes vibrierendes Band erstreckte sich zwischen uns. Mein Smaragd sandte einen Funkenschauer aus, jeder Funke ein Juwel, jeder Juwel eine Träne auf der Wange der Unendlichkeit.
Der Gott sprach.
Der Inhalt Seiner Worte brannte sich durch mich hindurch. Die Geas erglühten. Ich sollte etwas für Ihn tun, etwas, das der Gott mich noch nicht wissen lassen wollte.
Wenn die Zeit reif war, würde ich mich dann Seinem Willen unterwerfen und tun, worum er mich bat?
Ich verbeugte mich, eine Ehrerbietung aus tiefstem Herzen. Unter Seiner Berührung lief mein ganzes von Widerspenstigkeit geprägtes Leben vor meinem geistigen Auge ab. Wie könnte ich Ihm Widerstand entgegensetzen?
„Ich bin Dein Kind“, flüsterte ich.
Dann sprach Er erneut. Meinen Namen. Und ich musste zurück, durfte die Brücke nicht vollends überqueren, den Gott berühren und mich eine herrliche Sekunde lang vom Gewicht des Lehens befreit fühlen. Sanft schloss mich der Gott von seinem Reich aus, erlaubte mir lediglich, den Brunnen der Seelen, die Brücke, die blauen Kristallwände zu sehen und die Gestalt des Todes. Erhob eine Pfote, in der eine Handvoll dunkler Edelsteine lag. Nein, es war eine Frauenhand mit einem hellen Metallarmband, auf dem grüne Feuerstreifen entlangliefen.
Moment. Noch nie hatte der Gott des Todes für mich seine Gestalt verändert. Der Code eines Seelengeleiters war im Innersten eines Nekromanten festgelegt und änderte sich nicht. Niemals. Bei der Aufnahmeprüfung erleiden Nekromanten die Einführung in das Geheimnis des Todes, und dabei erscheint der Seelengeleiter. Im Gegensatz zu anderen Disziplinen brauchen Nekromanten eine Zulassung, müssen sich einer Prüfung unterwerfen und die völlige Preisgabe jeglicher Kontrolle ertragen im Angesicht des letzten aller Geheimnisse, dem Übergang in das helle Licht dessen, was danach kommt.
Ich konnte nicht einmal eine Frage stellen. Die Stimme meines Gottes hallte von den Wänden wider, als Er ein weiteres Wort sprach, ein traurigeres als das vorherige, so traurig, dass ich vor dem alles verzehrenden Kummer floh, blind in meinen Körper zurückdrängte, zurück in den Schmerz des Lebens.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, lehnte ich mit der Stirn am kalten Porzellan. Japhrimel packte mich an den Handgelenken und zog mich schützend in seine Arme. Dankbar ließ ich mich einfach hineinsinken. Wortlos gab er mir einen Kuss.
Allmählich ließ mein Zittern nach. Ein Gefühl von Wärme kehrte in meine Finger und Zehen zurück. „Irgendwas stimmt hier nicht“, sagte ich. „Das ergibt doch alles keinen Sinn.“
„Im Anfangsstadium tut es das nur selten. Hier geht es um mehr, als ich dachte.“
„Toll. Und warum beruhigt mich das jetzt nicht?“
Er lachte
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