Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
ihm.
„Nimm du sie. Bei dir sind sie sicherer aufgehoben.“ Jedenfalls, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass du sie zurückgibst. Aber ich wette, an dem hier hast du kein Interesse.
Wortlos griff er danach, und die kleinen Plasglasbehälter verschwanden genauso schnell wie die winzigen Origamitiere, die er aus meinen Notizen gefaltet hatte. Dann stand er ruhig da und sah mich erwartungsvoll an.
Seine Hände waren so geschickt, dass ich mich fragte, wo all die kleinen gefalteten Tiere wohl hingekommen waren. Jetzt, als ich darüber nachdachte, konnte ich mich wirklich nicht erinnern, dass meine Notizen irgendwelche Falten gehabt hätten. Genauso wenig konnte ich mich erinnern, dass irgendein Blatt Papier, das er gefaltet hatte, um mich zum Lachen zu bringen, jemals wieder aufgetaucht wäre.
Verdammt, Danny. Sei nicht so unkonzentriert. Japhrimel ist nicht dein Problem. Jedenfalls nicht im Moment.
Wenn es nicht so ernst wäre, würde das wirklich eine Erleichterung bedeuten. Der schwarze Humor half, aber ich fühlte mich trotzdem schuldig.
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Abermals schüttelte ich die kleine Phiole. Dann öffnete ich die Akte, rutschte ein Stück weiter nach hinten und zog die Beine an. „Wenn du magst, sieh dir das hier mit an. Es ist Eddies Mordakte.“ Großartig. Ich höre mich fast schon normal an. Mal abgesehen davon, wie brüchig meine Stimme klingt. Mit meiner Stimme hätte ich auch Vidsex verkaufen können, denn meine ruinierte Kehle ließ alles, was ich sagte, rau und gleichzeitig einladend klingen. Und was gerade auch noch mitschwang, war grenzenlose Wut.
„Die Dreckhexe.“ Japhrimel setzte sich neben mich aufs Bett. „Er war … er war ein guter Mann.“
Wie? Für einen Menschen? Aber das war ungerecht. Japh versuchte, nett zu sein. Ich schluckte, aber der dicke Kloß in meinem Hals blieb. „Das war er.“ Schließlich überwand ich mich und sah auf den Laserausdruck von Eddies zerfetztem Körper hinunter, der mich anklagend anzustarren schien. „Götter im Himmel“, flüsterte ich. Es war, als hätte man mir einen Schlag versetzt.
„Vielleicht solltest du dich erst mal ein bisschen ausruhen.“ Japhrimel lehnte sich zurück, bis er fast schon lag, und stützte sich auf den Ellbogen ab. Es war eine seltsame Stellung für jemanden, der stets so beherrscht war. Zudem war auch sein Haar ein wenig zerzaust. Die Stellung machte ihn verletzlich, weil sein Bauch entblößt war.
Bist du verrückt geworden? Meine beste Freundin – meine einzige Freundin – ist tot. Ich ruhe mich nicht aus. Für mich wird es lange Zeit kein Ausruhen mehr geben. Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Die Lampe auf dem Nachttisch wackelte, so viel Psinergie lag in meiner Stimme. Wieder sprühten meine Ringe Funken, die in der aufgeladenen Luft knisterten.
Ich konnte kaum der Versuchung widerstehen, mein Schwert zu ziehen und auf die unförmigen, hässlichen Möbel loszugehen.
Schließlich lenkte ich den Blick zurück auf die Akte. Weit hinten im Rachen spürte ich heiße Galle, und mein Schwert bewegte sich unruhig in seiner Scheide.
Japhrimel griff nach der Akte und nahm sie mir aus der Hand. Widerstandslos ließ ich es geschehen. Vor dem Fenster war das Aufjaulen eines Gleiters zu hören, im Flur erklangen menschliche Schritte, und die Wände sangen ihr langsames, unendliches Lied vom Kampf gegen die Naturgewalten. Die Haare fielen mir sanft über die Schultern.
Japhrimel schloss die Akte und legte sie zur Seite. Dann lehnte er sich aufs Bett zurück, die Finger hinter dem Kopf verschränkt. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken und sah auf meine Hände hinab.
Gesplitterter schwarzer Molekularlack auf meinen Nägeln, anmutig geformte Dämonenknochen, die zarten Handgelenke. „Ich sollte sie mir wirklich ansehen. Ich muss doch endlich anfangen … so viel wie möglich rauszufinden. Ich muss.“
„Ich weiß“, entgegnete er leise. „Aber nicht jetzt, Dante. Nicht jetzt.“
„Wieso nicht?“ Verdammt, warum nicht?
„Im Moment gibt es nichts, was du tun könntest. Ruh dich aus. Ein Jäger rennt nicht blindlings seiner Beute hinterher.“ Seine Stimme schien mein Haar zu zausen und meine Wangen zu berühren. Seine lautlose, angespannte Aufmerksamkeit erfüllte den Raum, und es hätte mich nicht überrascht, wenn er sich jedes Staubkörnchens, jeder Teppichfaser und jedes Fadens in der Gardine bewusst gewesen wäre. Japhrimel war hochkonzentriert und nervös.
Zu allem
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