Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
passiert war, war Kilian zu Hause ausgezogen.
Unweigerlich dachte er daran, dass sie für die nächste Beerdigung bereits
sparen müsste … und er hoffte, es wäre seine.
Monja unterbrach seine Gedanken, als sie mit
dem Tee ins Esszimmer kam.
„Oh je, du siehst aus, als hättest du eine
anstrengende Schicht gehabt. Soll ich heute das Kochen übernehmen?“
„Nein. Das schaffe ich schon noch“, schlug
Gabriele das Angebot aus.
Sie tätschelte Kilian die Hände, worauf er von
ihren Schultern abließ und sich neben sie setzte.
Während sie ihren Tee tranken, erzählte jeder
etwas von seinem Tag. Bei Kilian war es ruhig gewesen, viele der Kollegen im
Büro hatten sich schon auf das lange Wochenende eingestimmt. Ein stressfreier
Tag. Die Hektik käme am Montagmorgen wieder, Kilian wusste das. Dann wäre das
elektronische Postfach voll mit Mails von Kunden. Bestellungen, Reklamationen,
Anfragen …
Monja hatte langweilige Stunden hinter sich,
denn auf der Polizeischule, die sie besuchte, nahmen sie den ganzen Tag die
Verbrechensstatistiken der vergangenen Jahre durch. Der Professor habe so
monoton gesprochen, dass sie beinahe eingeschlafen wäre.
Als sich Kilian eine halbe Stunde später
verabschiedete, warf Monja ihm noch einen mahnenden Blick zu. Er wusste genau,
was sie meinte – er nickte ihr zu, obwohl er von seinem Standpunkt nicht
abrücken würde.
Seine kleine Wohnung lag fünfzehn Minuten
Fußmarsch entfernt. Auf dem Weg dorthin hielt er ständig seine Hand in der
Tasche. Darin verbarg er das Pfefferspray, das im Ernstfall sofort
einsatzbereit wäre. Es gab einfach zu viele Menschen, die kurz vor dem eigenen
Tod nicht vor Verbrechen zurückschreckten. Schließlich gelangte er unbehelligt
vor dem Mietshaus an und sein erster Blick galt dem Briefkasten. Wie jeden Tag,
seit er die Anfrage weggeschickt hatte. Rasch sah er die Umschläge durch und tatsächlich,
da war er.
Der Brief, die Antwort.
Die Rune, die als Wasserzeichen
durchschimmerte, verriet unmissverständlich den Absender. Nervös sputete Kilian
die Stufen nach oben. In dritten Stock angekommen schloss er seine Wohnungstür
auf und öffnete zitternd den Brief. Darin befand sich eine Karte, die ebenfalls
von der Rune geziert wurde.
Ihre Anfrage ist bei uns eingegangen. Hiermit
überstellen wir Ihnen die Genehmigung.
Ihr Termin: 08.05.2014, 15 Uhr
Diese Karte ist mitzuführen und vorzuzeigen.
Gültig nur für Kilian Hein.
Mehr stand nicht darauf. Er las es drei Mal,
ehe er es wirklich glaubte.
Die Frage nach dem Treffpunkt stellte sich gar
nicht erst. Kilian musste dort hin, wo der Brief herkam. Nach Rom, ins Haus des
Schicksals. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Die erste Hürde hatte er
geschafft. Nun musste er nur noch überzeugend genug sein, um die Verhandlung in
seinem Sinne abzuschließen. Seit Wochen bangte er darum, ob man ihm diese
Chance geben würde. Das Geld für die Fahrt hatte er sich schon vom Mund
abgespart. Ein Auto besaß er nicht und ein Flugticket überstieg bei Weitem seine
finanziellen Möglichkeiten. So musste es der Zug sein, doch auch der war nicht
gerade günstig.
Vier Tage noch – dann entschied sich, ob er mit
seiner Schwester tauschen dürfte. Die Aufregung machte sich auch in seinem
Magen bemerkbar, ein nervöses Ziehen breitete sich in seinem Bauch aus. So
hatte er sich zuletzt gefühlt, als er mit siebzehn seinem Vater eingestand,
dass er sich für Jungs und nicht für Mädchen interessierte. Damals hatte es ihn
erstaunt, dass seine Eltern dies sehr locker aufgenommen hatten …
Kilian brauchte drei Anläufe, um die Karte
zurück in den Umschlag zu schieben. Danach rief er seinen Vorgesetzten an und
erklärte, er bräuchte aus familiären Gründen für den kommenden Montag und
Dienstag Urlaub. Gelogen war das ja nich t. Außerdem
hatte er im Büro nicht eine so gewichtige Aufgabe, sodass sie auf ihn einige
Tage verzichten konnten. Er war einfach noch nicht lange genug dabei, um einen
bedeutenden Posten zu haben. Nachde m das geklärt war, packte er seine
Tasche und überlegte fieberhaft, was er seiner Mutter und Monja erzählen
sollte.
Sonntags fuhren weniger Züge, was mehr
Wartezeit bedeutete, so musste er wohl oder übel bereits am Samstag abreisen.
Er hatte keine Lust, stundenlang auf den Bahnhöfen herumzuhängen, ehe er den
Anschlusszug bekam. Die möglichen Verbindungen hatte er sich bereits herausgesucht,
in der Hoffnung, seine Bitte würde angenommen werden. Da dies nun der Fall
Weitere Kostenlose Bücher