Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
unterscheiden. Und am Ende bekäme ein jeder auf gewisse Weise
das, was er verdiente …
„Er hat keine Angst“, raunte Pajlin plötzlich.
Danyels Kopf schnellte herum und sah sie an,
doch sie schrieb unbeeindruckt weiter, als hätte sie gar nichts gesagt. Die Art
der beiden, zumeist in Rätseln und ohne große Erklärungen Dinge auszusprechen,
ließ ihn missgestimmt die Stirn runzeln. Jetzt konnte er selbst überlegen, wie
sie das nun wieder gemeint hatte. Dass sie von Kilian sprach, schien eindeutig.
Doch wovor hatte er keine Angst? Vor ihm oder vor seinen beiden Sehenden?
Selbst Dafour vermied es, sie anzusehen. Vor langer Zeit hatte er einmal gesagt,
ihnen in die Augen zu blicken, wäre, als ob man ins Nichts fiele. Danyel
empfand nicht so. Er betrachtete das Weiß als Inbegriff vollkommener Reinheit.
Klar, sauber, neutral und perfekt. Einem Impuls folgend stand er auf und trat
an den Tisch der beiden. Als sie den Blick hoben, legte er Pajlin die linke und
Teghre die rechte Hand auf die Wange.
„Ihr seid meine wertvollsten Begleiter, mein
größter Schatz und mein Stolz. Ich will und kann nicht zulassen, dass ihr in Gefahr
geratet“, sagte er und genoss noch einen Augenblick das Gefühl, welches durch
die Berührung ausgelöst wurde. Die beiden waren so voller Lebensenergie, dass
der bloße Kontakt mit der Haut ausreichte, um Danyel glauben zu lassen, er
würde innerlich mit weißem reinem Licht beleuchtet, welches jede Dunkelheit und
Tristesse verbannte. Die Schönheit dessen war nicht in Worte zu fassen und kaum
zu ertragen. Schrecklich schön wäre der einzig passende Vergleich. Ein Grund,
weshalb er nicht sehr oft den körperlichen Kontakt zu diesen strahlend reinen
Seelen suchte.
Die ungewöhnlichen Augen blieben noch einen
Augenblick auf ihn gerichtet, als er seine Hände zurückzog.
„Er ist der Schlüssel und nicht die Gefahr“,
flüsterte Teghre und besann sich wieder auf das Schreiben.
Danyel gab sich damit zufrieden, denn mehr
würde er ohnehin nicht bekommen. Allerdings musste er jetzt herausfinden, wer
oder was der Störfaktor war und wie Kilian als Schlüssel dort hineinpasste.
Langsam fragte er sich, wie er auf die Idee
gekommen war, dass etwas Abwechslung ganz nett wäre …
h
Kilian stand unschlüssig da. Er wollte Danyel
nicht noch mehr verärgern, sich aber ebenso wenig bevormunden lassen.
Kurzerhand beschloss er, sich weiter so zu verhalten, wie bisher. Was hatte er
schon zu verlieren? Sein kleiner Hoffnungsschimmer war zerschlagen worden. Für
seine letzten Wochen reichte es vollkommen, wenn er mit Danyel das Bett teilte
– jede freie Minute wollte er so verbringen, wie es ihm beliebte. Und nicht,
wie ihm befohlen wurde!
Während dieser Gedanken war er losgelaufen,
blieb aber nochmals stehen, um die zu langen Hosenbeine aufzuschlagen. Das
stetige Drauftreten nervte ihn. Anschließend führten ihn seine Schritte nach
draußen, wo er barfuß über den perfekt getrimmten Rasen lief. Er passierte
Rosenbüsche, deren Duft er tief inhalierte. Die Natur hatte normalerweise eine
beruhigende Wirkung auf ihn, doch diesmal wollte sein Groll sich nicht
auflösen. Daher interessierten ihn Danyels Verbote reichlich wenig.
Sicher, er hatte auch seinen Anteil dazu
beigetragen, dass er mit Danyel so aneinandergeraten war. Nach der Auseinandersetzung
mit Dafour, die ihm noch gut in Erinnerung war, schien sein Nervenkostüm nicht
das Beste zu sein. Beide hatten deutlich gemacht, für was sie Kilian hielten.
Er konnte nicht bestimmen, wie sie ihre Meinung über den Menschen gebildet
hatten. Ärgerlich war nur, dass zumindest Danyel alle über einen Kamm scherte.
Schwach, leidend, bettelnd, verachtenswert … und Kilian weigerte sich vehement,
sich zu diesen Kategorien zu zählen! Wenn er leidend wäre, dann hätte er gleich
zu Danyel rennen müssen, um den Herrn der Boten zu verpetzen, weil der so grob
gegen ihn vorgegangen war. Für schwach hielt er sich auch nicht. Wäre er
schwach oder feige, dann hätte er es nicht gewagt, auch nur das geringste
Widerwort von sich zu geben.
Kilian hatte kaum bemerkt, dass er den
Seiteneingang des Nebengebäudes erreicht hatte. Gedankenverloren lief er
einfach weiter. Was er sich als schwache Eigenschaft bescheinigte, war seine
Naivität. Immer zu denken, es würde schon alles glattgehen – reiner Optimismus.
Danyel zu vertrauen, ohne klare Abmachungen und ohne Nachfragen den Handel
eingegangen zu sein – ja, das war sehr naiv gewesen. Jetzt hatte
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