Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Fragen seitens des Botschafters und Erklärungen von Monja,
bekam sie einen Notpass ausgestellt. An Bargeld zu kommen stellte sich als
nicht minder schwer heraus. Zwar konnte man sich Geld zur Botschaft senden
lassen, doch dazu musste es jemand von zu Hause aus abschicken. Notgedrungen
rief Monja ihre Mutter an, hoffend, dass sie diese erreichen würde.
Nach dem fünften Freizeichenton hob sie endlich
ab.
„Hein?“
„Mama! Ich bin ’ s, Monja.
Ich brauche deine Hilfe.“
„Monja! Wo steckst du? Ich dachte, du wärst
längst zu Hause, wenn ich Feierabend habe.“
„Ich weiß. Bitte, versprich mir, dass du nicht
gleich ausflippst. Ich bin in Rom, um Kilian zu suchen.“
„WAS?“
Sie zog sich instinktiv vom Hörer zurück. Erst,
als der schrille Schrei verklungen war, legte sie ihn wieder ans Ohr.
„Ich habe geahnt, dass du so reagierst. Hör zu,
ich rufe von der Botschaft aus an und ich weiß nicht, wie lange sie mich
telefonieren lassen. Ich bin in der Bahn beklaut worden und mein gesamtes Geld
ist weg. Ich gebe dir eine Nummer durch, kannst du mir etwas überweisen – heute
noch?“ Sie hörte ihre Mutter tief durchatmen und erwartete eine Standpauke.
Doch die blieb aus.
„Ach Kind … Ich weiß, was dein Bruder getan hat.
Er hat angerufen. Ich hoffe, du findest ihn und bringst ihn zur Vernunft.
Schaff ihn nach Hause, wenn du kannst. Das Geld sende ich dir … wie viel
brauchst du?“
Monja schluckte. Eine solch rationale Reaktion
hatte sie nicht erwartet. Vor allem nicht diesen lockeren Tonfall.
„Ich weiß nicht. Zweihundert müssten reichen.
Ich gebe es dir zurück. Und lass bitte mein Konto sperren.“
„Kommt erst mal wieder nach Hause, den Rest
klären wir, wenn ihr wieder hier seid.“ Kein Wort dazu, dass Monja
klammheimlich gefahren war und ihre Mutter belogen hatte.
„Danke Mama!“ Monja war erleichtert. Doch sie
ahnte, dass sie die Schelte für den Ausflug zu Hause bekäme. Rasch gab sie noch
die Kontoverbindung durch, die der Botschafter ihr aufgeschrieben hatte.
Anschließend musste sie warten, bis die Transaktion im System registriert war.
Als sie die Botschaft verließ, war es bereits
später Nachmittag, weshalb sie überlegte, den Besuch der Vatikanstadt auf den
folgenden Tag zu verschieben. Doch sie verwarf den Gedanken, lief zur nächsten
Metro Station, zog ein Ticket und verstaute das restliche Geld in der vorderen
Hosentasche. Noch mal würde sie sich nicht beklauen lassen …
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Danyel ließ Kilian den Freiraum, allein zu
sein. Zumindest für eine Stunde. Bis er bemerkte, dass er sich Gedanken um den
Menschen machte. Sogar leichte Sorge in ihm wuchs – was angesichts der
Tatsache, dass er sonst kaum Interesse an der Menschheit besaß, doch ziemlich
erstaunlich war. Es ging nicht mehr nur um ihn selbst, um sein eigenes Vergnügen,
welches er sich von der Anwesenheit des Jungen versprochen hatte. Danyel fand
keine befriedigende Erklärung dafür, dass Kilian sich binnen kurzer Zeit zu
etwas so Wichtigem entwickelt hatte. Zwei Faktoren gaben ihren Anteil dazu –
zum einen war da die Aussage von Teghre und Pajlin und zum anderen die enorme
Anziehungskraft. Danyel zweifelte nicht daran, dass Kilian in diesem Punkt so
empfand, wie er. Schließlich hatte der es zugegeben. Was ihn verstimmte, war
Kilians Aussage, er würde ihn nicht mögen. Sicherlich, er musste das auch
nicht. Zumal Kilian ihm nicht gerade feindselig begegnete – aber auch nicht mit
dem nötigen Re spekt. So sehr er an sich Veränderungen
bemerkte, so sehr ärgerte es ihn auch, dass Kilian kaum einen Unterschied
zwischen ihm und einem gewöhnlichen Menschen machte. Er zeigte keine Angst –
weder vor ihm noch schien er Pajlin und Teghre zu fürchten …
Als er aufstand, streckte er sich und ein
lautes Knacken bezeugte, dass er zu lange in starrer Haltung gesessen hatte.
Zwar war sein Körper belastbarer als der eines Menschen, dennoch besaß er die
eine oder andere Schwäche. Es wurde Zeit, dass er etwas aß, um seinen enormen
Bedarf zu decken.
Danyel trat durch den Vorhang und lief an
Kilian vorbei, der auf dem Sofa saß und gedankenverloren wirkte. In der Küche
öffnete er den Kühlschrank, griff einen angereicherten Frucht-Joghurt-Shake und
stürzte den Inhalt ohne Absetzen hinunter. Anschließend nahm er sich ein
vorbereitetes Gericht aus dem Fach, zog die Folie ab und stellte den Teller in
die Mikrowelle. Das Summen des Gerätes übertönte die leisen Schritte, die sich
immer weiter
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