Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
erstickter, hoher Stimme.
    »Er ist
schon wieder an meinen Portwein gegangen«, murmelte Lady Godolphin.
    Die
Gesellschaft ging in Reih und Glied durch die Halle in das Speisezimmer.
    Daphne
hatte die Ehre, neben Mr. Garfield zu sitzen.
    Sie hatte
seinen flüchtigen Blick des Abscheus aufgefangen, als sie sich so affektiert
benommen hatte, und beschloß daher, so weibchenhaft wie nur möglich zu sein.
    Als ersten
Gang gab es grüne Erbsensuppe, auf die eine gespickte, mit Gurkensauce
glasierte Lammkeule folgte.
    Lady
Godolphin hielt nichts von der neumodischen, formellen Sitte, daß die Lakaien
den Gästen alles vorlegten. Sie fand es netter, die Schüsseln auf dem Tisch zu
lassen, so daß sich die Gäste selbst bedienen konnten.
    Als die
lauwarme Erbsensuppe aufgegessen war, ordnete sie an, daß die Lammkeule zu Mr.
Garfield gebracht werde, damit dieser sie aufschneide.
    Mice hob
den Silberdeckel von der Schüssel. Mr. Garfield ergriff die große Bratengabel
und das Messer. Da verengten sich seine Augen zu zwei schmalen Schlitzen, und
er drehte die Keule langsam und vorsichtig um. Jemand hatte offensichtlich ein
großes Stück von der Unterseite abgebissen.
    »Ich
fürchte, ich kann die Keule nicht servieren, Lady Godolphin«, sagte er.
    »Aber warum
denn nicht?« fragte Lady Godolphin vom anderen Ende der Tafel her. Sie konnte
die Keule nicht sehen, da ihr ein silberner Tafelaufsatz, der General Wolfe
darstellte, wie er die Höhen von Quebec nahm, den Blick verstellte. Es war ein
riesiger Tafelaufsatz mit bösen kleinen Silberfiguren, die einander schreckliche
Dinge antaten.
    »Weil«,
sagte Mr. Garfield und legte Messer und Gabel wieder hin, »bereits jemand davon
gegessen hat.«
    »Mice!«
rief Lady Godolphin unheilverkündend.
    Der Butler
lehnte seinen dicken weißen Kopf gegen die hohe Anrichte hinter Lady Godolphin
und brach in Tränen aus. »Es ist mehr, als
ein Mensch verkraften kann«, stöhnte er. Er sei als Butler eingestellt worden
und nicht als Hundepfleger. In der Küche seinen die Höllenhunde los, und das
Ende der Welt stehe bevor.
    »Nehmen Sie
sich zusammen«, schnauzte Lady Godolphin. »Wir sprechen uns später. Nehmen Sie
die Keule mit und lassen Sie den nächsten Gang servieren.«
    Immer noch
weinend nahm der Butler die Schüssel mit der Lammkeule und schnippte zum
Zeichen, daß ihm die Lakaien folgen sollten, mit den Fingern.
    Lady
Godolphin hakte in Gedanken die Gerichte in der Reihenfolge ab: Hammelragout,
Kalbsbrust mit gedämpften Erbsen, Hefekuchen ä la française, Hühnerfrikassee,
Rehrücken, Rinderrouladen in pikanter Sauce, Fisch und anschließend Rumpsteak
ä la Mantua.
    Daphne
hatte sich inzwischen ein Herz gefaßt und wollte Mr. Garfield nach Bellsire und
Thunderer fragen. Sie fürchtete sich davor zu hören, daß sie totgeschlagen
oder verkauft waren oder daß ihnen sonst etwas Schreckliches zugestoßen war.
Aber Mr. Garfield unterhielt sich gerade mit Lady Brothers, die an seiner anderen
Seite saß. Daphne war es nicht gewohnt, daß sie von einem Mann nicht beachtet
wurde. Sie mußte sich auch nie die Mühe machen, sich ein interessantes
Gesprächsthema auszudenken, weil die Gentlemen schon allein bei ihrem Anblick
glücklich waren. Jetzt dagegen hatte sie das sonderbare Gefühl, daß sie von dem
rätselhaften Mr. Garfield nicht das geringste zu befürchten hatte, daß sie ihn
vielmehr zu Tode langweilte.
    Die Türen
zum Speisezimmer flogen auf. Mice, der sich gefangen hatte, trat beiseite, um
das Gefolge von Lakaien, die die schweren Silberschüsseln trugen, an sich
vorbeidefilieren zu lassen.
    Im nächsten
Moment huschte ein beinahe komischer Ausdruck von Entsetzen über sein Gesicht,
und der erste Lakai warf einen angsterfüllten Blick über seine Schulter zurück.
    Man hörte
kräftiges Bellen. Dem Pfarrer blieb der Mund offenstehen. Dann scharrten und
trappelten Hundepfoten auf dem Steinboden der Halle. Die Lakaien schimpften und
fluchten, als sie ausrutschten und stolperten und schließlich in einer Lawine
von heißen Gerichten zu Boden gingen.
    In das
Zimmer kamen Bellsire und Thunderer gestürzt.
    Bellsire witterte und sprang Mr.
Archer auf den Schoß, der neben dem Pfarrer saß. In seiner Erregung hatte er
sich etwas in der Entfernung
verschätzt.
    Mr. Archer
starrte entsetzt auf die Saucenspur, die die Hundepfote auf seiner Hose
hinterlassen hatte, ergriff ein Tafelmesser und wollte es Bellsire zwischen die
Rippen stoßen.
    »Nein, tun
Sie's nicht!« schrie Daphne

Weitere Kostenlose Bücher