Daphne - sTdH 4
röter, bis sie schließlich den Mund öffnete und so durchdringend sang,
daß es im ganzen West End zu hören sein mußte.
»Ihr Ehefrauen hört den Rat,
Was euch gefällt, das nehmt euch grad,
Ein Gläschen Brandy oder Gin.
Und sollte euer Mann dann klagen,
Vergelt's ihm, geht ihm an den Kragen,
Und mit dem Nudelholz schlagt hin.
Wenn eine Frau sich gut benimmt,
Sie sich als Sklavin wiederfind',
Und muß es auch noch stumm ertragen...
Drum Ehefrauen, hört den Rat,
Was euch gefällt, das nehmt euch grad.«
Die
Ballade wurde mit
wildem Applaus aufgenommen. Und als Lord Brothers die ersten Verse von
»Ein Kapitän in Halifax,
der war an Land gegangen,
Verführt 'ne Maid, die fand man bald
an ihrem Strumpfband hangen«
dröhnte,
erhob sich Mr. Garfield und sagte, er wolle eine neue Mode einführen, und zwar,
daß man sich mit den Damen zurückziehe. Er bot Daphne den Arm und führte sie
aus dem Zimmer.
Etwas kleinlaut
folgten die anderen Gäste, die allmählich die schrecklichen Folgen ihres
Trinkens, ganz zu schweigen von Daphnes Essen, spürten, und einer nach dem
anderen sagte, er müsse nun nach Hause gehen.
Mr.
Garfield lächelte auf Daphne hinunter. »Morgen ist eine große
Freiwilligenparade im Hyde Park, Miss Daphne. Darf ich Ihren Vater fragen, ob
ich Sie begleiten darf?«
Daphne
öffnete schon den Mund, um abzulehnen, aber sein Lächeln nahm sie gefangen.
Ihre Knie zitterten, und sie flüsterte ganz schüchtern: »Ja.«
Sie wandte
sich verwirrt von ihm ab und sah sich in diesem Moment in einem hohen Spiegel.
Ihr Busen zeichnete sich deutlich unter dem dünnen Stoff ihres Gewandes ab. Sie
verschränkte die Arme über der Brust und erschauerte. Was in aller Welt hatte sie
bewogen, ein so schockierendes Kleid anzuziehen?
Mr.
Garfield sprach jetzt mit ihrem Vater, der sehr erfreut dreinsah. Mrs. Armitage
sah ebenfalls begeistert aus. Plötzlich fühlte Daphne Wut in sich aufsteigen.
Warum interessierte sich ihre Mutter, die absolut nichts zu ihrer Erziehung
beigetragen hatte, plötzlich zum ersten Mal für eine von ihnen? Und warum
gerade für mich, dachte Daphne ärgerlich.
Sie schämte
sich ihrer Mutter regelrecht, eine Tatsache, die sie sich nicht einmal selbst
eingestand. Nie hatte jemand Mrs. Armitage gesagt, daß es ganz unpassend ist,
wenn eine kleine plumpe Frau sich
so herablassend benimmt. Sie hatte die gelangweilten, sich im Unbestimmten
verlierenden Allüren einer hochaufragenden Göttin an sich.
Mr.
Garfield ging auf die Türe zu; Bellsire und Thunderer folgten ihm auf den
Fersen. Er schaute voller Reue auf sie hinab, faßte in seine Tasche und ließ
einige Münzen in die Hand des Butlers gleiten. Daphne konnte nicht sehen,
wieviel es war, aber auf Mices Gesicht ging die Sonne auf, und er bückte sich
sogar, um Bellsires Kopf zu tätscheln.
Mr. Archer
zog Daphne beiseite: »Wollen Sie mir die Ehre erweisen, morgen mit mir in den
Hyde Park zu kommen?« fragte er und betrachtete dabei über Daphnes Schultern
hinweg sein Spiegelbild.
»Ich kann
nicht«, antwortete Daphne gereizt. »Ich habe doch versucht, es Ihnen zu sagen.
Papa will, daß ich Mr. Garfield heirate. Mr. Garfield hat mich gebeten, ihn zu
begleiten, und leider habe ich zugesagt.«
Zum ersten
Mal an diesem Abend hörte ihr Mr. Archer wirklich zu. »Aber Sie müssen
ablehnen«, sagte er schlicht.
»Ich kann
nicht. Ich fühle mich ihm verpflichtet, weil er die Hunde gerettet hat.«
»Sie haben
mir nicht einmal von diesen verdammten Tieren erzählt«, sagte Mr. Archer
ungewöhnlich barsch. »Wenn Sie es getan hätten, hätte ich mein Äußerstes
versucht, um sie für Sie aufzufinden.«
Daphnes
Blick, der bis zu diesem Moment etwas hart gewesen war, wurde, je länger er auf
Mr. Archers ausnehmend schönen Gesichtszügen weilte, zunehmend weicher. »Ich
hätte es Ihnen erzählen sollen«, sagte sie. »Machen Sie sich keine Gedanken.
Ich werde mir morgen Mühe geben, mich bei diesem Mr. Garfield so unbeliebt zu
machen, daß er mich nie wiedersehen will.« Sie blickte sich schnell um. Ihr
Vater und ihre Mutter sprachen gerade ernst mit Lady Godolphin. Die anderen
Gäste waren schon gegangen.
»Lieben Sie
mich wirklich, und wollen Sie mich heiraten?« flüsterte Daphne.
»Sehr«,
sagte Mr. Archer, nahm ihre Hand in die seine und drückte sie herzlich.
»He, was
soll das?« polterte der Pfarrer los. »Komm her, Daphne. Leben Sie wohl, Mr.
Archer. Ohne Zweifel werden wir uns in
Zukunft nicht oft
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