Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Sofort. Zieh all deine Gedanken zu dir …«
»Aber …«, widerspricht Dawna. Ihr Gesicht ist bleich wie der Tod, ihre Haare kringeln sich feucht um ihr Gesicht.
»Los. Sofort!«
Miss A. packt Dawna von hinten, legt ihr beide Arme um den Bauch und hält sie fest. »Tu einfach, was wir dir sagen.«
Die Antwort von Dawna kann ich nicht verstehen, es klingt wie das Jammern eines kleinen Kätzchens, das seine Mutter verloren hat. Sie hat nicht vor, Mum im Stich zu lassen, egal, was Miss A. zu ihr sagt.
Die flimmernden Bilder setzen sich neu zusammen, plötzlich ist alles klar. Es ist wie ein Film, in Farbe, ganz scharf, ohne irgendwelche Störungen. Stiefel kommen den Flur entlang, ich weiß sofort, wo ich bin, nicht mehr in dem Hotelzimmer, in dem Mum festgehalten wird, sondern auf dem Gang direkt davor. Flamingofarbener ausgeblichener Teppich. Flamingofarbene verschmutzte Wand. Energische Schritte.
Ein Mann.
Eine Frau.
Eine Truppe von Männern mit Biker Boots läuft im Gleichschritt an ihnen vorbei, überholt sie, verschwindet aus dem Bild. Dann bleiben die zwei vor einer Zimmertür stehen. Ich höre das Rascheln ihrer Kleidung, das böse Wispern ihrer Gedanken.
Samael.
Lilli-Thi.
Es sieht aus, als würden sich seine Augen direkt auf mich richten, schwarz, finster, böse. Seine Hand streckt sich nach der Türklinke, ich kann meinen Blick nicht davon lösen, obwohl ich weiß, dass ich es sollte. Genau jetzt sollte ich den Kontakt abbrechen. Genau jetzt sollte ich meine Augen niederschlagen und mich auf den Boden kauern. Plötzlich weiß ich, was passieren wird. Samael wird den Schutzkreis sehen. Er wird mich sehen, direkt in meine Seele.
Dann passiert alles gleichzeitig. Wie aus einer fernen Welt höre ich die Schreie von Dawna, als hätte sie sich an den glühenden Bildern verbrannt. Jemand fällt gegen mich, ich taumle ein wenig nach hinten.
Samael, oh Samael …
Die Türklinke wird nach unten gedrückt und die Tür schwingt nach außen, wie von selbst, getrieben von einer Macht, die stark und böse ist.
Dann schiebt sich kraftvoll jemand zwischen dieses Bild und mich. Kats Augen glühen, als sie sich vor mich stellt. Mit einer heftigen Bewegung drückt sie mich so fest gegen die Wand, dass ich aufstöhne.
20
Dawna
I ch atme das blaue Licht aus. Gerade noch, im letzten Moment, zerstäubt es sich im Raum, flüchtig wie Mondlicht über einer aufgewühlten Wasserfläche steigt es bis unter die Dachbalken. Die Szene ist wie erstarrt. Indie sitzt auf dem Boden, Kat in der Hocke direkt vor ihr. Neben mir Sidney und Miss Anderson. Wir alle sind nicht in der Lage, uns von dem zu lösen, was wir gesehen haben. Den vollkommenen Gleichklang der Gefallenen. Sam hat sie in kürzester Zeit auf Kurs gebracht, sie funktionieren wie Marionetten, tun das, was er sagt. An Sam wage ich nicht zu denken. Und auch nicht an das, was gerade im Morrison Motel passiert.
»Wir haben sie im Stich gelassen.« Ich weiß, dass es nichts bringt, so etwas zu sagen. Ich weiß, dass es uns nur noch mehr erschöpft, noch mehr in Verzweiflung stürzt und aufreibt.
»Wir haben das einzig Richtige getan.« Miss Anderson richtet sich neben mir auf und streicht ihren Rock glatt. »Abgesehen von allen anderen Gründen ist es völlig illusorisch zu glauben, tagelang einen Schutzkreis dieser Stärke aufrechterhalten zu können. Vic ist mitten unter ihnen. Leichter ist es, einen Schutzkreis um ganz New Corbie zu ziehen, als einen in ihrer Mitte entstehen zu lassen. Erstaunlich genug …«
Sie bricht ab und sieht zwischen Indie, mir und Kat hin und her.
»Das einzig Richtige!«, stößt Indie zwischen den Zähnen hervor. »Ihr seid anscheinend ausschließlich hier, um das einzig Richtige zu tun.«
»Wir geben unser Bestes.« Kats Stimme ist hart.
»Wie in Semuliki 1992. Herzlichen Glückwunsch.«
»Hör zu, Indie.« Kat beugt sich vor und packt Indie an den Schultern. Noch nie habe ich sie so gesehen, so wütend und kurz davor, etwas Unüberlegtes zu tun. »Du weißt nicht, wovon du sprichst!«
»Könnt ihr euch bitte beruhigen?«, sagt Sidney hilflos. »Ist es nicht wichtiger, die nächsten Schritte zu planen, um Vic zu helfen?«
»Wie kommen die Hüterinnen überhaupt darauf, dass Mum in Gefahr ist?« Ich fixiere Miss Anderson, die aufsteht und zum Dachfenster hinübergeht. »Mit was haben sie sich beschäftigt? Mit irgendwelchen Daten?«
Indie weiß sofort, worauf ich hinauswill.
»Oder mit der Prophezeiung?«, fragt sie. »Sagt
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