Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
aufheulendem Motor jagt sie über die buckelige Piste zurück zur Straße. Sie geht nur kurz vom Gas, als sie den schmalen Graben durchfährt, dann jault der Motor wieder aus.
»Fuck. Fuck. FUCK!«, brülle ich ihr nach. Das wäre jetzt die einmalige Gelegenheit gewesen, Lilli-Thi abzuknallen. Das hat auch nichts mit Hass im Herzen zu tun, das ist Schutz des eigenen Lebens, vielleicht sogar Schutz von Mums Leben.
Dawna ist eine Zimperliese.
Ich gehe schlecht gelaunt zu dem Motorrad und versuche, es hochzuwuchten. Es dauert gefühlte Stunden, bis ich mein Bein über den Sattel schwingen kann. Ich trete ein paarmal den Kickstarter durch, aber der Motor macht keinen Mucks. Eine Weile bleibe ich still auf dem Sattel sitzen, die Beine breitbeinig in den Boden gestemmt, und sehe über die trockene Fläche. Sie haben ihre Drohung wahr gemacht. Sie werden sich nicht an den Vertrag halten. Plötzlich wird mir die Bedeutung dessen erst so richtig klar. Der Plan war: Emma, Dawna und ich. Und an unserer Seite alle Wölfe. Der gesamte Clan der Wölfe.
Sie waren nur gekommen, um Nawal zu holen und dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Ich drücke den Kickstarter durch, bis ich einen kleinen Widerstand spüre, dann trete ich locker den Hebel durch und die Duke springt an.
Ich habe keinen Helm. Der Wind reißt an meinen Haaren, ich fahre viel zu schnell. Ich kann nicht Motorradfahren. Und die Maschine ist mir zu schwer. Während ich mit überhöhter Geschwindigkeit durch New Corbie rase, verlangsamt sich in meinem Kopf alles, wie ein dunkler Sog versucht mich etwas aus meinem geschützten Tunnel zu ziehen. Schwarze Federn wirbeln durch meine Gedanken. Sieben Kohorten werden es sein. Sieben mal sechzig dunkle Engel, die ihren Willen dem des Anführers unterordnen. Die sich gegen uns stellen werden, gegen uns drei.
Ich habe keine Angst, sage ich mir, während ich die Augen zusammenkneife und starr nach vorne sehe.
Sam Rosells Laden. Der alte Bahnhof. Das Wegekreuz. Die Gärtnerei, denke ich, und sobald ich aus New Corbie draußen bin, lässt der dunkle Sog nach. Als ich zu schnell nach Whistling Wing abbiege, gerät das Motorrad ins Rutschen. Ich gebe zu viel Gas, der Motor heult auf, im letzten Moment kann ich die Duke wieder aufrichten.
Kann nicht einfach alles mal glattgehen?
Als ich auf Höhe der uralten Hickory bin, dort, wo der Weg nach Whistling Wing eine Kurve macht, bemerke ich den Motorradfahrer hinter mir.
Er nimmt mich bei der Hand und wir gehen durch den dichten Dschungel meiner Kindheit. Die Erinnerungen überfluten mich, seine Hand hält mich davon ab, einfach loszulaufen, zu verschwinden in der grünen Höhle, die mir so vertraut ist, voller Gerüche aus der geborgenen Kindheit auf Whistling Wing. Wir sprechen nicht miteinander, ich gehe voran, ziehe ihn hinter mir her in das grüne Dämmerlicht der großen Bäume. Nichts ist mehr wichtig, nur dass er hier ist, hier bei mir. Dass er meine Hand hält, dass er auf meiner Seite ist.
Eine große Schlingpflanze stoppt mich und lässt Gabe in mich hineinlaufen. Um einen Sturz zu verhindern, umfasst er meine Taille, wir bleiben so stehen, sein Atem streift meine Wange und ich schließe meine Augen.
»Was ist mit Mum?«, flüstere ich.
»Sie ist okay«, antwortet er heiser.
Dieses Okay klingt nicht gut.
»Sie haben darauf gewartet, dass wir diesen Fehler machen, oder?«, wispere ich unruhig. »Sie haben uns die ganze Zeit beobachtet.«
Ich spüre an meiner Wange, dass er nickt, aber er sagt nichts dazu.
»Kannst du ihr helfen zu entkommen?«
Gabe schweigt einen Moment, dann sagt er schließlich: »Wenn ich es tue, dann ist jedem klar, auf welcher Seite ich stehe.«
Ist es das wert? Er ist der Einzige, der auf unserer Seite steht. Der Einzige, der seine Kohorte den anderen entgegenstellen wird. Wenn er auffliegt, dann haben wir auch das verspielt. Ein Schluchzen bahnt sich in meiner Kehle an, das ich unterdrücke, so gut ich kann.
Sag, dass alles gut wird, will ich gerne sagen. Aber ich weiß, dass er mir so ein Versprechen nicht geben kann. Wenn ich mein Jahr im Orden absolviert hätte, würde ich jetzt vielleicht nicht schwanken, bereuen, mit dem Schicksal hadern. Ich wüsste, dass das Einzige, was zählt, das Ziel des Ordens ist. Dass ich das Leben meiner Mutter opfern würde, das Leben meiner Schwester und natürlich mein eigenes. Und das meines Liebsten.
Ich spüre die Wärme seines Körpers an meinem, seine starken Arme und die Zuversicht, die
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