Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
sich neben mich und spendet mir mit seiner Wärme Trost und Geborgenheit. So wie vor langer Zeit, als ich an Diegos Wolfsbauch geschmiegt einschlief, vor langer Zeit, als Granny noch über uns wachte und alles lenkte.
Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und sein Herzschlag mischt sich mit meinem.
»Dawna«, glaube ich, Grannys Stimme zu hören, »mein Wolfsmädchen …«
Wir stehen in Grannys Zimmer, das Zimmer, das bis vor wenigen Tagen Mum und Emma zusammen bewohnt haben. Emma reicht mir wortlos meine schwarze enge Trainingshose und ich schlüpfe hinein. Durch das Fenster sehe ich nur noch die Rücklichter von Sidneys Navara, das Motorengeräusch entfernt sich und hinterlässt ein angstvolles Kribbeln in meinem Bauch, durch das offene Fenster hören wir es, bis es weit hinter der Gärtnerei in der Dunkelheit verklingt.
»Die Gärtnerei. Das Wegekreuz.« Emma greift hinter sich und reicht mir nun auch die Trainingsjacke. Unten schlägt eine Tür und ich trete ans Fenster. Sidney, Eve, Beebee und Tara treten auf die Veranda. Sidneys Stimme hört sich aufgeregt an. Sie läuft einige Schritte über den Hof. Der aufsteigende Mond fängt sie mit sanftem Licht ein. Schließlich bleibt sie mit hängenden Armen stehen, den Blick in die Richtung, in der ihr Auto verschwunden ist. Der Staub legt sich, mehrere Atemzüge steht sie einfach nur da. Emma legt mir behutsam den Waffen-Hüftgürtel um. Er fühlt sich schwer an. Sie schließt die Schnalle, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Sie verrutscht ihn ein kleines Stück, bis er perfekt auf meinen Hüftknochen sitzt.
Ich sehe, wie Sidney zögernd zurück zum Haus geht. Dann bückt sie sich an der Stelle, an der der Navara gestanden hat, und hebt den gefalteten Zettel auf. Die anderen Frauen umringen sie, während sie den Zettel auseinanderfaltet, erst zögernd, dann hastig, mit zitternden Fingern streicht sie ihn glatt und liest, während der Wind im Himbeerbaum flüstert.
Ich nehme das Schulterholster in Empfang und lege es an. Meine Gefühle sind komplett ausgeschaltet, selbst die Gedanken an das, was jetzt kommt, sitzen nur noch als ungutes Gefühl im Bauch. Wir haben keine andere Wahl, denke ich und ignoriere den Knoten im Magen.
Hinter mir tritt Kat in mein Zimmer, auch sie ist schwer bewaffnet. Wir tauschen nur einen kurzen Blick, noch ist es zu früh, um loszufahren. Emma reicht mir die Glock, streicht mir die Haare zurück und windet sie geschickt zu einem strengen Knoten, der mich beim Kampf nicht stören wird. Ihre Hände sind sanft, aber bestimmt, kräftig, trotz ihres Alters.
Der entsetzte Laut, der fast synchron aus Sidneys, Eves und Beebees Mund kommt, bohrt sich in mein Herz. Sidney lässt den Zettel fallen und nimmt Eve und Beebee an den Händen. Gemeinsam laufen sie ins Haus, ich höre ihre eiligen Schritte auf der Treppe.
Draußen bückt sich Tara nach dem Papier, wir treten einen Schritt zurück, damit sie uns nicht am Fenster erkennt, doch sie sieht nicht zu uns hinauf. Eine atemlose Sekunde lang warten wir darauf, was sie macht. Kurz verharrt sie so, mit dem Zettel in der Hand, doch dann dreht sie sich um und läuft los, erst langsam. Dann schneller und schneller. Sie verlässt Whistling Wing, vermutlich für immer, und jeder Schritt bringt sie näher nach New Corbie, zum Motel und zu denjenigen, zu denen sie gehört.
»Verräterin«, flüstert Emma. Ihre Hände ruhen auf meinen Schultern.
Sidneys Schritte kommen näher, ohne anzuklopfen, wird die Tür aufgerissen und Sidney stürzt herein.
»Eine Nachricht. Von Indie!«, stößt sie hervor. »Sie will alles alleine zu Ende bringen, um Vic zu retten! Sie will das Tor endgültig schließen! Sie will sich töten!«
Pico Torquino, Kuba, 29. Juni 2013
D er Dschungel fordert alles zurück, denkt Rosibel Gonzalez. Nichts von dem, was wir erschaffen, wird Bestand haben, in rasender Geschwindigkeit schluckt die grüne Hölle alles Menschliche. Sie lehnt sich in ihrem Schaukelstuhl zurück, in den Armen ihre Enkeltochter Mercedes, die mit offenem Mund schläft, so entspannt, wie es nur sehr kleine Kinder tun. Erst vor wenigen Tagen war sie ein Jahr alt geworden. Ihr Blick schweift zu ihrer Tochter, die ihr Baby stillt, die kleine Maria.
Es geht trotzdem immer weiter, mit Mercedes und Maria, die genau wie meine Schwester und ich das Tor bewachen werden. Ihre Tochter Ignatia sieht hoch und lächelt, als sie den Blick ihrer Mutter auf sich spürt. Nie hat sie sich vorstellen können,
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