Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
spezialisiert auf solche Einsätze«, versucht mich Kat zu beruhigen, »wir sind ein eingespieltes Team. Wir holen sie da raus.«
Miss Anderson geht in die Hocke und überprüft noch einmal alle Waffengürtel, die sie umgeschnallt hat. Sie macht nicht den Eindruck, als hätte sie im Moment Lust auf Diskussionen.
»Vielleicht ist Mum nicht bei Bewusstsein.« Ich sehe zu, wie sie und Kat ihre Uhren vergleichen. »Vielleicht muss sie jemand tragen. Es könnte notwendig sein …«
»Ich gebe euch vier Minuten Vorsprung«, unterbricht mich Miss Anderson. Sie legt mir kurz ihre Hand auf den Unterarm.
»Angst ist ein schlechter Ratgeber, Dawna«, flüstert sie.
»Vier Minuten … ab … jetzt!«
Wir laufen um das Motel herum, sobald wir die Vorderseite erreicht haben, geben wir unsere geduckte Haltung auf und beginnen zu schießen. Ich habe das Gefühl, ich werde meine gesamte Munition in den ersten zwei Minuten verballern. Sofort scheint das Motel aufzuwachen, und obwohl wir niemanden sehen können, breitet sich Unruhe um uns herum aus. Das Glas der Eingangstüre zersplittert und wir springen einfach hindurch, das Glas knirscht unter unseren Stiefeln. Ohne Blicke zu tauschen, trennen wir uns, Kat und Dusk laufen auf die rechte Seite, während ich mir meinen Weg zum linken Teil des Motels suche. Meine Schritte werden von den flamingofarbenen Teppiche verschluckt und ich wünschte mir, es wäre blanker Beton, über den ich laufe, damit mein Weg auch die letzten Engel aufweckt und zu mir lockt. Ich gebe ein paar Schüsse in die Decke über mir ab, weißer Putz rieselt auf mich herunter. Dusk hat mir den Plan des Motels aufgezeichnet, die einzelnen Stockwerke, die Treppen, die für mich infrage kommen, und Mums Zimmer. Der Plan hat sich in mein Gehirn eingebrannt, jeder Schritt ist mir vertraut, als wäre ich ihn schon hundertmal gelaufen. Endlich höre ich, wie mir jemand entgegenkommt, und im nächsten Moment biegen etwa fünfzehn Engel aus einem Nebengang. Ohne meinen Lauf zu drosseln, beginne ich wieder zu schießen, wirbelnde Federn nehmen mir die Sicht und Triumph setzt sich in meiner Brust fest. Alle, die ich jetzt töte, werden nicht mehr gegen uns kämpfen können. Ich klicke die leeren Magazine aus den Glocks und schiebe neue hinein. Aus dem anderen Trakt dringen Kampfgeräusche zu mir herüber, Schweiß rinnt mir über das Gesicht, klebt an meinem Körper, wieder höre ich näher kommende Schritte und wieder lösche ich jeden von ihnen aus, nichts bleibt von ihnen zurück als der schillernde Flaum ihres Gefieders.
27
Indie
B leib lieber, wo du bist«, sage ich mit liebenswürdiger Stimme, obwohl ich am liebsten kotzen würde. Nach und nach verstummen die Motorengeräusche und mit ihnen auch die Lichter, die mich zunächst angestrahlt hatten, als wäre ich auf einer Bühne. Für einen Moment sehe ich nur die Umrisse von Rag.
Bullig. Riesig. Mächtig.
Dunkel gegen den noch vom sanften Glühen des Abendrots aufgehellten Himmel. »Kann man nicht mal in der Stunde des eigenen Todes seine Ruhe haben?«
Er sitzt noch auf dem Motorrad, die Augen auf mich fokussiert. Langsam erkenne ich mehr und mehr seine Gesichtszüge, sein schönes Gesicht, das selbst durch seine Grausamkeit und Unberechenbarkeit nichts an Ebenmäßigkeit und Attraktivität eingebüßt hat.
»Ist doch auch kein Zustand, dass das Letzte, was ich von dieser Welt sehe, deine fiese Fresse sein soll.«
Für einen Moment bereue ich, dass ich ihn so gereizt habe, denn alles an ihm scheint so zu glühen, als würde er gleich explodieren.
»Samael hat mich gebeten, dir etwas zu erzählen«, sagt er stattdessen und seine Emotionen sind so schnell verflogen wie der nächtliche Wind über den Gräbern.
»Du kannst gleich wieder fahren und deinem Chef sagen, dass mich niemand davon abhalten konnte«, schlage ich freundlich vor. »Machen wir uns doch nichts vor. Samael hat mit dir die falsche Wahl getroffen, er hätte lieber so einen Dauerschwätzer wie Pius schicken sollen.«
Rag antwortet nicht gleich. Inzwischen sind meine Augen wieder an die Dunkelheit adaptiert, mein Herzschlag hat sich wieder normalisiert und mein Gehirn funktioniert.
»Das, was ich dir erzählen soll, kann nur ich erzählen«, sagt er emotionslos. »Denn nur ich war dabei.«
Fieser. Fieser. Samael. Ich weiß nicht, was kommt, aber es wird etwas Schreckliches sein.
»Es war der 18. Geburtstag von Vincenta«, sagt er und seine Augen sind ruhig auf mein Gesicht
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