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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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arbeiten.«
    »Verrätst du mir, was er macht?«
    »Sicher. Er arbeitet im Hotel, hin und wieder auch im Gefängnis, wenn er dort gebraucht wird. Als Reiniger.«
    Reiniger ... Das klang schaurig. Was mochte ein so belesener und gebildeter Percent wohl reinigen? Tatorte?
    Neél wirkte frustriert, als ich ihn fragte. »Die Böden«, sagte er schlicht, »die Böden.«

27
    die toten dürfen keine wünsche mehr haben.
    Meistens ist es dem Zufall zu verdanken, dass man das große Glück um Haaresbreite verpasst.
    Seit Wochen suchte Matthial nach einer Spur von Joy. Sie war gesehen worden. Seltsame Gerüchte kamen ihm zu Ohren. Soldat, nannte eine alte Frau sie. Hure eines Percents, sagte ein Mann, dem Matthial dafür bedauerlicherweise die Nase brechen musste. Doch der Kerl bestand, selbst als er Blut spuckte, noch darauf, gesehen zu haben, wie sie erst gestern lachend mit einem der Percents die Marktstraße entlangspaziert war. Matthial glaubte ihm kein Wort, hielt die besagte Straße jedoch die folgenden Tage im Blick. Und so kam es, dass er bei der Suche nach Joy jemand anderem über den Weg lief.
    Amber.
    Sein erster Eindruck war allerdings, dass er sie mit einer Fremden verwechselt haben musste, denn sie sah ihn nicht an, starrte zu Boden und zwängte sich an ihm vorbei, auf einen Marktkarren zu, hinter dem ein Mann mit leiernder Stimme von der Qualität seiner Eier und Geflügelprodukte faselte.
    »Amber.« Das Hemd klebte ihm feuchtkalt in den Achseln, die Zunge salzig am Gaumen. »Amber, warte.«
    »Bitte«, flüsterte sie - nein, sie wimmerte beinahe, »ich habe doch keine Zeit. Ich darf ihn nicht warten lassen.«
    Matthial biss die Zähne zusammen, als sein Blick ihre Hände streifte, die verharschten Striemen auf den Fingerrücken. Sie bemerkte es und zog rasch die Ärmel darüber, verlangte mit kaum hörbarer Stimme fünf Eier und sah sich dabei immer wieder über die Schulter um. Ein Pferdekarren holperte vorbei und Amber zitterte im Takt der Holzräder. Die Peitsche klatschte nachlässig auf die Kruppe des Pferdes. Amber schloss die Augen und atmete die staubschwere Luft langsam durch die Nase ein.
    »Amber, was ist passiert?«, wollte Matthial wissen und im gleichen Augenblick wurde ihm klar, dass das, wonach er fragte, nichts war, was man am Straßenrand besprach.
    »Du musst gehen.« Wieder sah sie sich um. »Heute habe ich keine Zeit zum Reden.«
    »Ich komme wieder.«
    »Bitte nicht.«
    »Wir holen dich hier raus. Wir sind mehr geworden und wir sind stark!«
    »Matthial!« Sie sah nur einen Moment auf, aber er erkannte die Tränen in ihren rot geränderten Augen. »Geh! Komm nicht zurück.«
    Der Atem blieb ihm, wie ein Tier mit Krallen, in der Kehle stecken. »Amber, warte, nur einen Moment. Hast du Joy gesehen?«
    »Es geht ihr gut«, flüsterte sie, ohne die Lippen zu bewegen. Dann eilte sie die Straße hinunter, geradewegs auf einen Percent zu, der dort auf sie wartete. Sie nickte ihm zu, fast war es eine Verbeugung, und trabte hinter ihm her um eine Ecke.
    Mit einem gelangweilten »Was jetzt?« riss der Verkäufer Matthial aus seinen Gedanken. »Willst du etwas kaufen, du Hansel, oder bloß gaffen?«
    »Nichts davon.« Matthial ließ die Schultern hängen und trollte sich.
    • • •
    Zum Abend verließ er die Stadt durch einen unterirdischen Tunnel, den er erst wenige Tage zuvor entdeckt hatte. Regenfälle hatten den einstigen Abwasserkanal ausgespült und wilde Sträucher überwucherten den Zugang, sodass er den Percents bisher nicht aufgefallen war. Matthial hatte ihn durch die Hilfe seines Hundes gefunden und nutzte ihn seitdem nahezu täglich, um seine Waffen zu verstecken und sicher in die Stadt und wieder hinaus zu gelangen.
    Um sie zu finden. Bisher vergeblich. Und nun?
    Es ging ihr gut.
    Aber welchen Wert besaß die Aussage von Amber, deren Angst die Luft geschwängert hatte wie alter Schweißgeruch? Konnte er auf ihre Worte bauen?
    Auf dem Rückweg durch das Bomberland und den angrenzenden Wald beschloss Matthial, das Positive zu sehen. Joy lebte. Das stand fest - Amber hatte nicht ausgesehen, als hätte sie Kraft für Lügen. Wenn Joy lebte, würde er sie finden, früher oder später. Alles, was er brauchte, war ein Plan.
    In seinen Gedanken gefangen, bemerkte er nur am Rande seines Bewusstseins, wie ungewohnt still der Abend war. Die Luft drückte aufs Land, selbst zwischen den Bäumen hing sie schwer. Vielleicht zog ein Gewitter herauf. Hoffentlich. Die Wasservorräte wurden schon

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