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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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rufst.«
    Das Seil rührte sich an meinem Arm, Neél ließ sich auf einem Stuhl nieder. Mina nahm auf dem zweiten Sessel Platz und sagte, ich solle mich ebenfalls setzen. Es gab keinen Stuhl mehr, den ich am Seil hätte erreichen können, aber Minas Blick machte ohnehin deutlich, dass für mich etwas anderes vorgesehen war. Ich kniete mich auf den Boden, mitten in das Schmelzwasser aus meinem Stiefelprofil, und achtete darauf, jederzeit aufspringen zu können.
    Keiner sprach.
    Neéls Miene war verschlossen, mehr noch als sonst, aber seine Hand lag halb geöffnet in seinem Schoß, das Ende des Seils locker zwischen seinen Fingern. Bis zur Tür war es nicht weit ...
    »Du weißt, warum du hier bist?«, fragte Cloud und sein Blick ließ endlich von mir ab, streifte Neél und richtete sich auf den Tisch. Dampf stieg aus einer Tasse, die dort stand.
    Neél räusperte sich. »Die Ausbildung verläuft schleppend, um ehrlich zu sein. Ich glaube nicht, dass ich sie in einen tauglichen Zustand bekomme.«
    Ah. Es ging um mich. Natürlich; das hatte ich befürchtet.
    Vorzugeben, ich würde nicht bemerken, dass sie über mich sprachen wie über einen mechanischen Gegenstand, den es zu reparieren galt, fiel mir schwer, aber die Angst unterstützte mich. Ich starrte auf den Teppich und zählte die Schlaufen.
    »Wo liegen die Probleme?«, wollte Cloud wissen. Ich spürte seinen Blick nun wieder auf mir. »Ungehorsam?«
    Neél stieß den Atem aus und verlagerte sein Gewicht, sodass der Stuhl quietschte. »In gewisser Weise. Sie schont sich, bietet ein konstantes Level im Training und hält stur daran fest.«
    Ich konnte kaum glauben, was er da erzählte. Ich riss mir den Arsch auf und er dachte, ich würde mich zurückhalten?
    Cloud verschränkte die Finger. »Jemanden über eine Grenze zu treiben, ist eine wichtige Fähigkeit. Um das zu trainieren, hast du sie bekommen, Neél.«
    »Ich habe aber keine Chance mit ihr!«, stieß Neél hervor und jetzt bröckelte seine Ruhe ernsthaft. Seine Finger zuckten, als verböte er sich, die Hände zu Fäusten zu ballen. »Sie ist nur ein Mädchen. Kein Training der Welt wird einen Mann aus ihr machen.«
    »Was genau sind die Schwierigkeiten? Ich hörte, sie sei schnell.«
    Neél knurrte unwirsch. »Für eine Menschenfrau, ja. Aber das reicht nicht.«
    »Das reicht nicht?«, wiederholte Cloud. Es klang unheilvoll und an Neéls Stelle hätte ich es dabei belassen.
    »Nein«, erwiderte Neél. »Sie werden sie schneller fangen als ein Rebhuhn. Sie wird mich lächerlich machen.«
    »Nun gut, nehmen wir an, du hast recht.« Cloud griff neben sich in einen Lederbeutel.
    Mina nahm ihre Tasse zwischen beide Hände und blies vorsichtig hinein. Ich konnte den herben Kräutertee riechen, glaubte, selbst die Hitze auf der Haut fühlen zu können. Ich war durstig und durchgefroren. In meinem Magen lag ein Klumpen Eis, der sich rasant ausdehnte, als ich sah, was Cloud in der Hand hielt.
    Ein Messer. Mein Messer.
    Konnte das möglich sein? War das tatsächlich die Klinge, die mir vor vielen Jahren der Varlet weggenommen hatte?
    »Joy Annlin Rissel«, las Cloud vom Griff ab und mir wurde einen Moment dunkel vor Augen.
    Als ich wieder klar sehen konnte, stellte ich fest, dass Neél weniger wusste als ich. Er schüttelte nur ahnungslos den Kopf. Cloud wandte mir das Gesicht zu.
    »War das dein Messer?«
    Sein Blick hatte etwas Stechendes, er brannte damit Löcher in meinen Verstand. Löcher, in denen ein Vakuum zurückblieb, was ein schmerzendes Ziehen im ganzen Körper zur Folge hatte. Ich fühlte mich angegriffen, was das Bedürfnis in mir wachrief, mich zu verteidigen. Irgendwie. Und darum sagte ich: »Nach allem, was ich gelernt habe, ist es immer noch mein Messer.«
    Ich bemerkte den vielsagenden Blick, den Mina Cloud zuschoss. Er sah nach Ich habe es dir doch gesagt aus.
    »Willst du es wiederhaben?«
    »Wenn ich es benutzen darf. Ja.«
    Ein Mensch hätte nun geschmunzelt, hätte wenigstens so getan. Es gab gewisse Mechanismen, nach denen alle Menschen funktionierten. Cloud sah mich nur an.
    Schließlich fragte er: »Würdest du diesmal jemanden damit töten?«
    Er wusste es. Er wusste von dem Tag, an dem ich es verloren hatte, er kannte die ganze, demütigende Geschichte. Ich schluckte Spucke runter, die nach Magensaft schmeckte. »Ja.«
    Cloud nickte. »Gut.« Dann warf er das Messer in hohem Bogen zu Neél. Der fing es am Griff auf.
    »Du sagtest also, sie wäre nicht gut genug«, wiederholte Cloud, als

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