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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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sei der Zwischenfall mit meinem Messer nicht geschehen. »Da du ihr Trainer bist, bringt mich das zu dem Schluss, dass vielleicht du nicht gut genug bist.«
    »Cloud, bei allem Respekt. Warum beschämst du mich?«
    »Hast du einen besseren Soldaten verdient? Denkst du das wirklich?«
    Neél regte sich nicht, aber in seinem Gesicht veränderte sich etwas. Ich konnte es nicht benennen, aber er sah mit einem Mal unmenschlicher aus. Kälter.
    »Antworte, wenn ich dich etwas frage.« Clouds Stimme wurde laut, rollte wie eine Steinlawine durch den Raum.
    »Ich verdiene eine Chance, auch wenn ich dir Ärger bereitet habe, Cloud.«
    »Dann nutze sie.«
    Ich wusste nicht, ob er die Chance oder mich meinte. Obwohl ich mich für gewöhnlich zu ganzer Größe aufrichtete, wenn mir unbehaglich war, wäre ich heute am liebsten zwischen den Teppichschlingen verschwunden. Dennoch hätte ich gern erfahren, inwiefern Neél Cloud verärgert hatte, doch sie hatten das Thema bereits wieder fallen gelassen.
    »Wie oft trainierst du sie?«, fragte Cloud.
    Mina sah auf, touchierte Neél für einen Sekundenbruchteil mit ihrem Blick. Er hatte es vermutlich nicht mitbekommen. Ich schon. Cloud wusste längst, wie oft wir diese Folter betrieben, die sie Training nannten.
    »Ausreichend«, murmelte Neél. Er ahnte vermutlich schon, dass Cloud nicht einverstanden war.
    »Ist das so? Du trainierst sie dreimal täglich?«
    Schweigen. Schweigen. Schweigen.
    Dann ein leises: »Nein.«
    »Sondern?«
    »Einmal. Ich dachte, ich würde sie sonst überfordern. Sie ist schwäch-«
    »Das reicht nicht.« Um Clouds Mundwinkel spielte ein böses Lächeln. Er hatte Neél gerade vernichtend geschlagen. Auch wenn ich die Regeln dieses Spiels nicht verstand, so spürte ich den Triumph in der Luft singen wie ein schnell geschleudertes Seil.
    »Damit kennst du das Problem«, sagte Cloud. »Du darfst gehen.«
    Neél erhob sich schwerfällig und wartete, bis ich mich aufgerichtet hatte, statt am Seil zu zerren. Er nickte Cloud zum Abschied knapp zu. In Minas Richtung hätte man das Nicken fast eine Verbeugung nennen können. Da ich nicht wusste, was man von mir verlangte, hielt ich den Mund und bemühte mich, nicht auf mein Messer zu starren, das Neél an einem Halteriemen im Innenfutter seiner Jacke verstaute.
    Die vielen Fragen machten meinen Kopf ganz eng. Was bedeutete das alles? Woher hatte Cloud mein Messer? Und warum frustrierte es Neél so sehr, mich häufiger trainieren zu müssen? Nicht dass ich da anderer Meinung war! Die Vorstellung, diese Tortur mehrmals täglich über mich ergehen lassen, war zu viel für mein Hirn, daher stellte es auf stur und wollte mir weismachen, dass sich ab sofort nicht die Tortur, sondern meine Fluchtchancen verdreifachen würden.
    Neél allerdings schien derart niedergeschlagen, als hätte er etwas sehr Wichtiges verloren. Vielleicht , grübelte ich, während wir das Haus verließen und ins frostklirrende Halbdunkel traten, weil er nun die abendlichen Ausflüge, wohin auch immer sie ihn führen, vergessen kann.

14
    wenn ich mir meinen tod aussuchen dürfte,
würde ich erfrieren wollen.
    Schnee knirschte unter unseren Sohlen und der Percent knirschte sogar mit den Zähnen. Wir verließen die Stadt und ich versuchte, meine Lage einzuschätzen. Das Resultat war ernüchternd. Er war verdammt schlecht gelaunt und dass ich ohne jede Schuld die Ursache dafür war, machte meine Situation nicht besser. Er wollte mich loswerden, womit ich einverstanden gewesen wäre, wenn ich nicht annehmen müsste, dass es bei seinen Planungen weniger um meine Freilassung als mehr um mein verfrühtes Ableben ging. Er dachte gewiss darüber nach, während er schweigsam seines Weges stapfte.
    »Woher hat er es?«
    Er blickte sich zu mir um und sah mich an, als wundere er sich, wo ich plötzlich herkam. »Was?«
    »Mein Messer. Woher hat er mein Messer?«
    Neél antwortete nicht gleich, er richtete den Blick wieder nach vorne. Aber er verbot mir auch nicht den Mund und das war mehr, als ich sonst erwarten konnte.
    »Ein Varlet hat es mir weggenommen, vor mehr als drei Jahren, im Wald, einen Stundenmarsch von hier entfernt. Er hätte mich damals töten können. Oder gefangen nehmen. Hat er aber nicht. Er hat mir nur das Messer weggenommen. Und nun hat Cloud es. Warum?«
    »Er hieß Jones«, sagte Neél.
    »Wer? Der Varlet?«
    »Nein, der Vogel, der ihm auf den Kopf geschissen hat«, fuhr er mich genervt an. »Natürlich der Varlet, wer sonst. Cloud war sein

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