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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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es loszuwerden galt.
    Es war so ruhig. Mir war, als hätte ich einzelne Schneeflocken auf dem Boden zerbrechen hören müssen. Ein Windstoß riss an meinem Haar. Die Kälte kroch mir unter die Kleider. In einiger Entfernung, aus Richtung des Waldes, schrie ein Raubvogel; sein pfeifender Klagelaut brach durch die Stille. Trotzdem blieb es ruhig.
    Ich drehte den Kopf, um nach dem Vogel zu sehen, und plötzlich glaubte ich, wahnsinnig zu werden oder zumindest die Nerven zu verlieren. Am Waldrand tastete sich ein Lichtfinger, der sich irgendwie durch die künstliche Verdunklungswolke gebohrt haben musste, bis auf die Erde. Ich sah es genau: Silbrige Flocken, glitzernd wie jene in Ambers Schneekugel, tanzten in seinem Licht. Der Sonnenstrahl war schwach und schmal. Seine Streifen mattgelb statt golden. Aber er war da, er traf die Erde. Er war gegen Dark Canopy angetreten und hatte gesiegt. Ganz selten erlebten wir derartige Wunder.
    Mein Vater hatte einmal zu Penny und mir gesagt, wer so etwas erlebte, dürfe sich etwas wünschen und es ging in Erfüllung. »Ist das wahr?«, hatte ich gefragt, während Penny nur zweifelnd die Nase krauszog, und Papa hatte geantwortet: »Aber ja. Das weiß ich ganz genau, denn das hat mir der Engel verraten, den ich herbeiwünschte, als ich zum letzten Mal ein Rebellenlicht sah.«
    Rebellenlicht, so hatte er es genannt. Ein Stückchen Sonnenschein, das stärker war als die Percents, stärker als Dark Canopy. Wie wir.
    Ich kann nur Sekunden abgelenkt gewesen sein, doch für den Percent war das mehr als genug. Ich sah ihn kaum kommen, registrierte den Angriff erst, als er mich von hinten ansprang, zu Boden warf und meinen Kopf in den Schnee drückte. Ich gab dem Impuls, mich kräftig zu wehren, nicht nach. Dieses Katz-und-Maus-Spiel konnte nicht ewig so weitergehen, doch das würde es, solange ich mitspielte. Ich war die sinnlosen Kämpfe so satt. Also ließ ich meine Muskeln locker und blieb liegen. Sollte er sich doch mit einer anderen Maus vergnügen. Ich biss mir auf mein Wangeninneres, als er mir den Arm auf dem Rücken verdrehte, wandte das Gesicht ab, so weit ich konnte, und presste es in den Schnee, als er sich über mich beugte und sein heißer Atem mein Gesicht berührte. Er zerrte an meinem Haar und zwang mich, ihn anzusehen.
    »So«, fauchte er mich an. »Du hast es also nicht nötig, meine Anweisungen zu befolgen und deine Arbeit zu erledigen.«
    »Ich wollte diese Arbeit nie!«
    Er zog meinen Arm weiter, ich spürte, wie das Schultergelenk an seine Grenzen stieß. Vor Schmerz schossen mir Tränen in die Augen.
    »Du hast nicht das Recht auf Wünsche. Wenn hier Wünsche erfüllt werden, dann bist du die Letzte in der langen Schlange von Leuten, die ihre nennen wollen. Du stehst noch hinter mir, und lass mich gleich klarstellen, dass das schon verdammt übel für dich ist. Du bist Kriegsbeute, was meinst du, was das bedeutet?«
    Ich schrie auf, als ein reißender Schmerz durch meinen Arm jagte.
    »Was bedeutet das?«, brüllte der Percent. Speicheltröpfchen trafen meine Wangen und Lippen.
    Ich wusste, was er hören wollte. Ich sollte ihm sagen, dass er die Befehle gab und ich parierte. Ich rang mit den Worten. Der Teil von mir, der sich etwas aus körperlicher Unversehrtheit machte, hätte ihn auch mit einem der vergessenen Adelstitel angeredet, um freizukommen. Mein Arm tat so weh, dass ich hinter zusammengepressten Lippen wimmerte. Aber völlig vergessen und verdrängen ließ mein Stolz sich nicht. Ich hatte das Licht gesehen. Ein Rebellenlicht.
    »Du willst also schweigen.« Sein ruhiger, fast resignierter Tonfall beunruhigte mich. »Dann schweig. Schweig doch für immer.«
    Und dann begann er, mit der freien Hand Schnee über mein Gesicht und meinen Kopf zu schaufeln und festzudrücken. Einen Augenblick war ich perplex, fühlte mich daran erinnert, wie wir uns früher bei wilden Spielen gegenseitig mit Schnee gewaschen hatten. Wie ernst es war, begriff ich erst, als beim Einatmen Feuchtigkeit in meine Atemwege drang. Ich versuchte zu husten, doch es ging nicht. Versuchte, den Kopf hochzuziehen, aber er ließ es nicht zu. Der Percent hielt meine Hand fest und drückte mein Gesicht in den Schnee, indem er mir ein Knie auf den Hinterkopf setzte. Sein Gewicht schien mir alle verbliebene Luft aus der Lunge zu quetschen und verhinderte jede Bewegung. Nutzlos strampelte ich mit den Beinen, zappelte und zuckte. Er war zu stark.
    Ich schrie. Der festgedrückte Schnee dämpfte meine

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