dark canopy
Stimme wie ein frosthartes Kissen. Bei jedem Blinzeln schnitten gleißende Eiskristalle in meine Augen und mir wurde klar, dass er mich töten würde.
Ich hatte es ihm denkbar leicht gemacht, dachte ich, während meine Gliedmaßen zu schwer wurden, um sie noch zu heben. Meine Lunge schien sich auf die Größe von Kieseln zusammenzuziehen, beim Versuch, das letzte bisschen Sauerstoff zu bekommen. In meinen Schläfen pochte es heiß gegen den schmerzhaft harten Schnee an, der hinter meinen geschlossenen Lidern seltsame Spiralen zog. Ich sah Muster ohne Zusammenhang und begriff, dass ich das Bewusstsein verlor. Platz zum Denken war nicht mehr in meinem schneegefüllten Kopf. Nur noch Schmerz und Angst und Gewissheit.
Ich wollte nicht sterben.
Und konnte es ihm nicht mehr sagen. Es wurde dunkel.
15
ich hatte geglaubt, in der schneekugel müsse man ersticken,
aber es war nicht immer alles so einfach.
Ich blickte in aufgewühlten Schnee, den rote Schlieren durchzogen.
Mühsam richtete ich mich auf, schüttelte das taube Gefühl aus meinem Kopf und kämpfte mit der Erinnerung. Das da im Schnee waren Blutspritzer. Von wem? Ich tastete über meine Lider und Wangen. Die Kälte nahm mir jedes Gefühl, aber an meinen blaugefrorenen Fingern haftete Blut. Hatte meine Nase wieder geblutet?
Der Percent saß mit ausdrucksloser Miene einen Meter von mir entfernt auf einem Stein und beobachtete mich. Die Erinnerung kam mit dem Schmerz zurück, der in mein Schultergelenk biss, als ich mich auf den Arm stützte. Er hatte versucht, mich im Schnee zu ersticken. In meinen Ohren schwirrte das Echo meines Namens und die Gewissheit, dass er mich um ein Haar getötet hätte. Etwas war nicht richtig, mein Körper funktionierte nicht so, wie er sollte. Ich musste überlegen und meine Hände beobachten, bis ich begriff, dass ich am ganzen Körper zitterte.
»Bist du so weit?«, fragte der Percent.
Ich nickte, weil ich einfach nur noch hier fortwollte. Egal wohin, von mir aus ins Gefängnis, wo ich mit der Gewissheit schlief, dass er mich jederzeit im Schlaf töten konnte. Ich wischte mir geschmolzenen Schnee aus den Wimpern, strich mir das verknotete Haar zurück und zog den Kragen meiner Jacke höher. Mich hinzustellen, war nicht so einfach, ich taumelte ein wenig und musste tief durchatmen, bis ich festen Stand fand.
Der Percent nickte knapp. »Dann lauf.«
Beinahe hätte mich sein Befehl wieder in die Knie gezwungen. Ich grub die Hände in meine Jacke, weil ich Halt brauchte. »Was? Du willst, dass ich - «
»Ich will das Training fortsetzen«, sagte er leichthin und dann wurde seine Stimme leise und bösartig wie träge von seinen Lippen tropfendes Gift. »Heute noch! Glaubst du, ich schenke dir dein wertloses Leben umsonst? Lauf. Vielleicht entkommst du mir ja, jetzt, da du weißt, was dir blüht, wenn du es nicht tust.«
Ich lief nicht. Ich tat etwas anderes und bemerkte erst, was ich vorhatte, als es zu spät zum Umkehren war.
Mit verengten Augen hielt ich seinem Blick stand, bückte mich und hob einen Stein aus dem Schnee, dick wie eine Faust und mit einer scharfen Bruchkante an einer Seite. Er lag in meiner Hand, als hätte ihn die Zeit für mich und diesen Augenblick geschliffen.
Über das Gesicht des Percents flog ein Hauch Erstaunen, dann Belustigung. Er hob eine Braue ein winziges Stück an.
Ich nickte in Gedanken - Ja, du hast mich richtig verstanden, ich fordere dich heraus - und blinzelte, um ihm zu verstehen zu geben, dass er mit seiner Vermutung richtiglag. Sein Mundwinkel zuckte und wie eine selbstverständliche Reaktion darauf kribbelte mein Magen. Ich kannte diese Art von Flirt, der nichts mit Gefühlen zu tun hatte, bis auf ein einziges: Kampflust.
Es war mehr als das, es war ein wildes Verlangen. Ungezügelter Hass. Er hatte es zu weit getrieben, mich über meine Angst hinweggejagt und stand nun einer Frau gegenüber, die er würde töten müssen, wenn er nicht selbst sterben wollte.
Ich biss die Zähne zusammen und zog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln zurück, als er sich mit einer Vierteldrehung von dem Steinbrocken erhob, auf dem er saß.
»Ach so ist das«, flüsterte er.
Und ich sagte: »Ja. Es ist genug.«
Er griff in seine Jacke und obwohl er das Messer herauszog - mein Messer -, wusste ich, dass er es nicht gegen mich einsetzen würde. Ich war es, die diesen Kampf brauchte, aber er wollte ihn ebenso. Vielleicht bloß aus Neugier. Er legte das Messer auf den Stein, wo wir es beide erreichen
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