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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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lasse nicht zu, dass jemand mein Zimmer durchwühlt, nur weil du dich ungeschickt verhältst. Verstanden?«
    Er wartete keine Antwort ab, sondern klopfte hart gegen die Tür. Angebunden trottete ich ihm nach und er bedeutete mir, mitten im Raum stehen zu bleiben und zu schweigen. Er setzte sich dem älteren Percent, der eine Art Schriftführer sein musste, gegenüber an den Schreibtisch, erklärte den Grund seines Kommens und diktierte eine Meldung. Mein Blick glitt die Regale entlang, in denen sich Millionen und Abermillionen zusammengebundener Blätter stapelten. Vermutlich würde auch mein Diebstahl bald ein Blatt Papier in einem dieser Bündel sein. Mit welchem Ergebnis?
    Neél gab zu Protokoll, er hätte von der Tür der Außenmauer beobachtet, wie ich beim Aufräumen etwas an mich genommen und eingesteckt hatte. Er log. Die Frage war nur, warum? Ich konnte mit Gewissheit sagen, dass er nicht an der Tür gewesen war, während ich das Dokument in meinen Ärmel gesteckt hatte. Ich wusste es genau, weil ich es spürte, wenn er mich ansah. Ich spürte seinen toxischen Reptilienblick. Er machte etwas mit mir, in meinem Magen und in meinem Kopf. Immer.
    Aus meiner nassen Hose tropfte eine bräunliche Schlammbrühe und machte den Boden schlüpfrig. »Ich habe nichts genommen«, sagte ich leise und trat von einem Bein aufs andere.
    »Du schweigst!«, sagte der Schriftführer. Ich brauchte wohl nicht darauf hoffen, dass er meine Bemerkung in die Akte aufnehmen würde.
    Neél seufzte. »Wir werden es gleich erfahren.« Er wandte sich an den anderen Percent. »Zelle eins?«
    Wie bitte? Zelle?
    Auch der Schriftführer schien verwundert. »Mach es hier, sie ist bloß ein -«
    »Soldat«, unterbrach Neél ihn barsch. Er räusperte sich rasch, aber auch dem Schriftführer war sein schroffer Ton nicht entgangen. »Sie ist Soldat und ich habe meine Anweisungen«, erklärte er ihm gemäßigt. »Wenn ich diese missachte, gefährde ich mein Chivvy.«
    Der andere Percent schmunzelte. »Also macht ihr jungen Kerle euch immer noch gegenseitig das Leben zur Hölle und dezimiert eure Konkurrenz schon vor dem Spiel, ja?«
    »Jeder muss sehen, wo er bleibt«, gab Neél süffisant zurück, dann drehte er sich auf dem Stuhl in meine Richtung, warf mir das Ende der Lederschnur zu und wies mit dem Kinn auf eine Holztür. »Das da ist Zelle eins. Geh schon vor.«
    Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich ihm vertraute. Um ehrlich zu sein, überlegte ich bereits, ob es noch eine andere Möglichkeit gab, um der Situation zu entkommen. Aber dann bemerkte ich die Bewegung hinter der Scheibe, erkannte Girans Gesicht und den Ausdruck in seinen Augen. Er war auf absolut unangenehme Weise überrascht, mich hier zu sehen. Und er war sauer. Was immer Neél also vorhatte, wenn es Giran ärgerte, konnte es so schlecht nicht sein.
    Ich ging in die Zelle, die nichts anderes als diesen Namen verdiente: vier Wände, eine Tür, nackter Boden und eine Leuchtstoffröhre an der Decke. Das war es. Neél folgte mir und schloss die Tür.
    »Du wirst dich ausziehen«, sagte er mit seiner üblichen Stimme, als wäre ihm alles völlig egal. Aber er sah mir nicht in die Augen, sondern auf einen Punkt über meiner Stirn. Sein Gesicht schien blasser als sonst, was auch an der grellen Beleuchtung und der grauen Wandfarbe liegen konnte. »Ich gebe deine Sachen nach draußen, wo sie durchsucht werden.« Er zögerte, schluckte und sprach dann doch weiter: »Für die Leibesuntersuchung bin ich zuständig.«
    Ich hatte den Eindruck, mein nächster Herzschlag ließ überdurchschnittlich lang auf sich warten. Darum hatte er mich hergeschleift und den Diebstahl gemeldet? Wegen der ... »Leibesuntersuchung«?
    »Selbst schuld!«, blaffte er mich an.
    Mir schoss das Blut in den Kopf, gleichzeitig brach mir eisiger Schweiß aus. Mit aufeinandergepressten Lippen versuchte ich, meine Panik in den Griff zu bekommen. Ich hatte andere Probleme als meine Scham. Ein verstecktes Dokument im Ärmel zum Beispiel. Zum dritten Mal in wenigen Augenblicken musste ich mir die feuchten Handflächen an der Hose abwischen.
    »Kannst du ... dich umdrehen?« Meine Stimme war mir fremd. Viel höher, als ich sie kannte.
    Neél verdrehte die Augen und gab ein Geräusch von sich, das sich nicht zwischen Knurren, Grunzen und Seufzen entscheiden konnte. Aber er tat mir den Gefallen und wandte sich ab. Er streckte den Arm nach hinten aus und ich reichte ihm zunächst meine Jacke. Das Dokument steckte im Ärmel

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