Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
Rollkragenhemd, der verzierten Weste mit Reißverschluss, den hautengen dunkelgrünen Hosen, den Lederstiefeln und dem Umhang aus grünem Wollstoff beinahe für einen ganz normalen Jungen aus dem Volk halten können.
Ephrion hatte von Master Kwando eine langärmlige blaue Tunika mit Ledergürtel, einen dicken grauschwarzen Umhang, Wildlederhosen sowie Schnabelschuhe erhalten. Der wohlbeleibte Vierzehnjährige hatte freches, strohblondes, verstrubbeltes Haar und lustig funkelnde hellblaue Augen. An seinem Hals baumelte eine dicke Kette mit einem gezackten Metallanhänger; ein besonderes Geschenk seines Vaters, das ihm sehr viel bedeutete. Schräg über die Schulter trug Ephrion eine große Ledertasche, in der er das aufbewahrte, was die so unterschiedlichen Jugendlichen letztendlich zusammengeführt hatte: das Buch der Prophetie. Zumindest den ersten Teil davon.
«Beschützt das Buch mit Eurem Leben!», hatte die Prophetin gesagt, als sie dem dicken Jungen das uralte Buch anvertraut hatte. «Von diesem Buch hängt die Zukunft unseres Volkes ab.»
Die Worte klangen ihm noch jetzt in den Ohren. Es war eine große Verantwortung, dieses Buch tragen zu dürfen, und Ephrion nahm seine Aufgabe sehr ernst. Schließlich stand nichts Geringeres als die Existenz von Dark City auf dem Spiel. So hatte es die Prophetin jedenfalls gesagt, bevor sie die Jugendlichen auf ihre gefährliche Mission geschickt hatte. Seither hatten sie die alte Frau nicht mehr gesehen und auch keine neuen Anweisungen mehr erhalten. Und da standen sie nun, mitten in der Stadt, Drakars Sicherheitsgarde auf ihren Fersen, und hatten nicht die leiseste Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte.
«Und was machen wir nun?», sprach Ephrion schließlich aus, was alle dachten.
«Wir machen ’ne Fliege, bevor wir der Westgang in die Arme laufen», sagte Joash. «Die Typen verstehen nämlich keinen Spaß, wenn jemand ungefragt in ihr Gebiet eindringt. Und auf mich sind sie ohnehin nicht besonders gut zu sprechen, seit ich sie, nun ja, ein wenig verärgert habe.»
«Moment. Heißt das, du weißt, wo wir sind?», erkundigte sich Miro hoffnungsvoll. Nichts war dem Achtzehnjährigen lieber, als so schnell wie möglich aus dieser schummerigen Gegend herauszukommen. Als Sohn eines der reichsten Männer von Dark City waren ihm die düsteren, nach Urin riechenden und mit Müll verstopften Stadtviertel der armen Bevölkerungsschicht ein Gräuel. Alles hier war einfach nur eklig und der Gestank so penetrant, dass es für ein feines Nobelnäschen wie das seine kaum auszuhalten war.
Joash grinste. «Ey, ich kenne diese elende Stadt besser als jede Straßenratte, Hirn. Wenn ihr gutes Dope kaufen möchtet, einer der größten Drogenumschlagplätze der Stadt ist nur ein paar Blocks von hier entfernt.»
«Du nimmst Drogen?», meinte Ephrion entsetzt.
Anstatt seine Frage zu beantworten, spuckte der Bursche mit der Filzlockenmähne auf den Boden.
«Kommt mit. Die Straße hier ist nicht sicher. Jedenfalls nicht für mich. Und für euch erst recht nicht.»
Bevor ihm die Jugendlichen widersprechen konnten, trabte Joash davon. Miro, Ephrion, Aliyah und Nayati folgten ihm.
«Wohin gehen wir?», erkundigte sich Aliyah. Obwohl sie blind war, hatte die Sechzehnjährige keine Mühe, mit den anderen Schritt zu halten. Sie hatte schon als kleines Mädchen gelernt, sich ohne ihr Augenlicht zurechtzufinden. Und mit Nayati, ihrem treuen Blindenwolf an ihrer Seite, gab es keine Hindernisse, die sie nicht überwinden konnte. «Meint ihr, die Sicherheitsgarde ist noch in der Nähe?»
«Hoffentlich nicht», sagte Miro. «Ich bin nicht scharf darauf, in den Kerker zurückzukehren.»
«Wer ist das Mädchen, das bei ihnen war?», erkundigte sich Joash, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
«Du meinst Katara?», fragte Miro. Er gab sich keine Mühe, den bitteren Unterton in seiner Stimme zu verbergen. «Vor der Raubkatze musst du dich in Acht nehmen. Sie ist eine elende Verräterin.»
«Was hat sie getan?»
«Sie hat die Seiten gewechselt, als Drakar uns in der Burg erwischte. Ihr Vater ist Goran, musst du wissen.»
«Goran? Du meinst: der Goran?»
«Genau das hab ich auch gesagt, als ich Katara kennenlernte», mischte sich Ephrion in das Gespräch ein und sprudelte gleich unaufgefordert weiter: «Kaum zu glauben, nicht wahr? Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal die Tochter des ersten schwarzen Ritters persönlich kennenlerne. Und dann saß ich plötzlich mit ihr zusammen
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