Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
Junkie muss ich mir nichts sagen lassen», konterte Miro herablassend. Das hätte er besser nicht gesagt. Ein kaum merkliches Zucken jagte durch Joashs Körper. Jäh packte der muskulöse Bursche mit der hüftlangen Löwenmähne Miro am Hals und sah ihn funkelnd an.
«Keiner … kein Einziger nennt mich einen Junkie. Ist das klar?»
Miro lief vor Schmerzen fast so rot an wie sein Haar und presste die Lippen aufeinander, um nicht laut loszujaulen.
«Haben wir uns verstanden, du verwöhntes Großmaul?», knirschte Joash, ohne seinen eisernen Griff zu lockern.
«Aber ja doch», japste Miro untertänig.
«Hört auf damit!», forderte Aliyah die beiden auf und tastete nach ihnen. «Die Reihe bewegt sich.»
Joash ließ Miro los und warf ihm einen drohenden Blick zu, während Miro sich den wunden Hals massierte und dumpf vor sich hingrummelte.
«Nur noch zehn Leute vor uns!», verkündete Ephrion. Und wieder mal konnte er vor Aufregung sein Mundwerk nicht halten und plapperte drauflos wie ein Wasserfall. «Mann, hab ich einen Kohldampf. Hoffentlich haben sie auch genug Brote dabei. Nicht wie neulich, wo ihnen genau vor uns das Brot ausging. Genau vor uns! Das war vielleicht ein Drama. Mein kleiner Bruder war auch dabei und wollte dem Mann, der das letzte Brot gekriegt hatte, die Tüte aus der Hand reißen. Nicolo kann manchmal ganz schön wütend werden, sag ich euch. Und bei Zuckerbrot kennt er keinen Spaß.»
Ephrion trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, während die Tische mit den Brotverteilern immer näher in sein Blickfeld rückten. «Gleich sind wir vorne», sagte er. «Ich kann die Brote schon riechen. Ist das nicht ein herrlicher Duft? Ich hab mal gehört, das Rezept stamme von Außerirdischen. Cool, nicht? Glaubt ihr an Außerirdische?»
Er erwartete keine Antwort, und er erhielt auch keine, nur ein paar grimmige Blicke von Miro und Joash. Die Frau vor ihnen packte soeben ein Brot in ihren Korb, bedankte sich höflich und ging. Jetzt waren sie an der Reihe. Ein dünner Mann mit schütterem Haar und einem langen grauweißen Bart stand lächelnd vor ihnen. Er mochte um die fünfzig sein und trug einen dunkelgrünen Rollkragenpullover mit dem eingestickten Wappen von Dark City auf der linken Brusttasche. Nayati begann auf einmal zu winseln und tänzelte aufgeregt hin und her.
«Was hast du, Nayati?», fragte ihn Aliyah verwundert, während sie sich an seinem Fell festhielt.
Ephrion, einzig fixiert auf die leckeren Brote, die sich in großen Säcken hinter den Tischen auftürmten, holte tief Luft und gab strahlend seine Bestellung auf:
«Also. Wir hätten gerne vier Zuckerbrote», verkündete er. «Die größten, die Sie haben!»
Der Mann lächelte ihn gütig an. «Mein Kind, leider dürfen wir nur zwei Brote pro Familie abgeben.» Er deutete mit seinem knochigen Finger auf die Gefährten, die hinter Ephrion standen. «Ist das Eure Familie?»
Ephrion drehte sich um. Sein Blick wanderte von Aliyah zu Nayati, dann zu Joash, Miro und schließlich wieder zurück zu dem Brotverteiler.
«Ja», sagte er mit fester Stimme, «das ist meine Familie.»
Der Mann nickte und packte zwei große Brotlaibe in eine Helos-Blättertüte. Der weiße Wolf verfolgte mit seinen eisblauen Augen jede seiner Handbewegungen und wedelte wie verrückt mit seinem Schwanz. Es wirkte so, als ob die beiden sich kennen würden.
«Bitte schön», sagte der Mann mit dem Bart freundlich und reichte Ephrion die Brote über den Tisch. Und dann fügte er etwas hinzu, was den Jugendlichen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
«Und? Wie war euer Aufenthalt bei Master Kwando?»
9
Miro und Ephrion erstarrten. Joash ballte seine Hände zu Fäusten. Wie vom Donner gerührt, schauten sie den bärtigen Mann an. Tausend Gedanken schossen ihnen gleichzeitig durch den Kopf. Woher kannte dieser Fremde Master Kwando? Warum wusste er, dass sie bei ihm gewesen waren? Warum wusste er überhaupt, wer sie waren? Was ging hier vor? Wer war dieser Mann? Verwirrung und Panik spiegelte sich in ihren Augen. Sie wollten davonlaufen, doch ihre Füße waren wie am Boden festgeklebt.
Sie haben uns!, durchfuhr es Ephrion.
Wir sind geliefert!, dachte Miro.
Wag es bloß nicht, mir zu nahe zu kommen, dachte Joash.
Nur eine schien angesichts der gefährlichen Situation nicht die Nerven zu verlieren: Aliyah. Ihr grünes und ihr blaues Auge fest auf den Unbekannten gerichtet, trat sie mutig einen Schritt vor. Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht, als sie
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