Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)

mit dir gesehen werden. Sie werden sich um deine Freundschaft reißen. All das will ich dir geben, wenn du nur aus dem Boot steigst und zu mir kommst.»
    Ephrion wurde es ganz warm ums Herz. Er starrte in Eldoras Augen und fühlte einen unbeschreiblichen Drang, ihr entgegenzugehen. Sie rief ihn. Sie wollte ihm helfen! Nie wieder würden ihn die Schüler fett nennen! Nie wieder müsste er all die gemeinen Sprüche über sich ergehen lassen. Nie wieder! Oh ja, wie sehnte er sich danach, akzeptiert zu sein. Er würde alles dafür geben. Alles. Und das Einzige, was er dafür tun musste, war, aus dem Boot zu steigen. Noch nie war all das, wovon er immer geträumt hatte, in so greifbarer Nähe gewesen.
    «Sota’ham endémi yokitu belàm!», rief ihm die Herrscherin der Sümpfe zu und winkte ihn zu sich. Und Ephrion streckte seine Hand nach ihr aus.
    «Ja, ich will es», murmelte er, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden. «Ich komme!»
    Zur selben Zeit fixierte auch Joash die glitzernden Diamantenaugen Eldoras und lauschte ihrer melodischen Stimme.
    «Joash. Ich weiß, was du getan hast», hörte er sie singen. «Ich kenne dein Geheimnis. Und ich weiß, dass du dir große Vorwürfe deswegen machst. Aber Joash, das muss nicht sein. Ich kann dir helfen. Niemand wird jemals erfahren, was dort in der Dunkelheit geschehen ist. Die andern brauchen nicht zu wissen, dass du sie bestohlen und ihr Vertrauen missbraucht hast. Ihre Freundschaft hast du verspielt. Wozu willst du noch bei ihnen bleiben? Lass sie zurück und komm zu mir. Ich gebe dir alles, was du brauchst und dir je erträumt hast. Ich habe wertvolle Schätze, Silber und Gold. Ich mache dich zu einem reichen Mann, Joash. Du wirst nie mehr auf der Straße leben müssen. All das will ich dir geben, wenn du nur aus dem Boot steigst und zu mir kommst.»
    Joash spürte ein Feuer in sich explodieren. Mit fiebrigen Augen hob er seine Hand. Alles um ihn herum versank in tiefem Schwarz. Nur die schimmernde Gestalt leuchtete über dem spiegelglatten Wasser, und ihr Gesang berührte seine Fingerspitzen wie ein zarter Windhauch. Ihre Augen und ihre Worte zogen ihn magisch an. Er wollte nur noch eines: alle Schwierigkeiten hinter sich lassen und zu ihr gehen. Er sehnte sich so sehr nach ihr, dass es schmerzte in seiner Brust.
    «Ich komme», flüsterte er, von Verlangen aufgezehrt, «wartet auf mich. Ich komme!»
    Die Herrscherin der Sümpfe lächelte hintergründig. Mit ihren Juwelenaugen funkelte sie Miro an, und mit ihren schmeichelhaften Worten warb sie auch um ihn.
    «Miro. Ich bewundere dich. Noch nie ist mir jemand begegnet, der so intelligent ist wie du. Eines Tages wirst du die Geschäfte deines Vaters übernehmen und über die gesamte Industrie von Dark City herrschen. Aber Miro, ist dir das wirklich genug? Willst du der Welt nur als erfolgreicher Geschäftsmann oder als der klügste Mann aller Zeiten in Erinnerung bleiben? Ich habe die Macht, dir so viel Klugheit zu geben, wie kein Mensch sie je vor dir hatte und je wieder haben wird. Sie werden von überall kommen, um sich von dir beraten zu lassen. Du wirst alles wissen, auch die tiefsten Geheimnisse dieser Erde. Deinem Verstand werden keine Grenzen gesetzt sein. Du wirst alles erreichen, was du dir vornimmst. Dein Name wird niemals in Vergessenheit geraten. All das will ich dir geben, wenn du nur aus dem Boot steigst und zu mir kommst.»
    Miro hing an ihren Lippen. Ihr Angebot war so verlockend, so unglaublich attraktiv. Der klügste Mann aller Zeiten, verehrt und umjubelt. Und alles in greifbarer Nähe. Er wäre ein Narr, wenn er nicht darauf einginge. Seine Handflächen kribbelten.
    «Onássam kitaura onéssam melóhim!»
    «Ja, ich tu es!», rief er, von gieriger Begeisterung gepackt. «Ich komme!»
    Sihana hatte das Gefühl, ihr Herz wäre auf die doppelte Größe angeschwollen. Auch sie war so verzaubert vom Anblick Eldoras, dass sie alles um sich herum ausschaltete. Sie kam nicht mehr von ihren steinernen Augen los, und die süße Stimme umhüllte sie wie die warme Umarmung einer Mutter.
    «Sihana. Ich weiß, wie sehr du deinen Vater vermisst. Zehn Jahre lang hast du gehofft, er würde zurückkommen. Zehn Jahre hast du dich nach seiner Nähe gesehnt, nach seiner Liebe. Ich kann dich zu ihm bringen. Ich weiß, wo er ist. Er wartet auf dich. Er möchte, dass du zu ihm kommst. Er braucht dich. Ist es nicht das, was du dir all die Jahre gewünscht hast? Dass du deinen Vater findest? Wenn du es willst, hat deine Suche