Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Schnurrbart und war glatzköpfig, abgesehen von einem langen, geflochtenen schwarzen Zopf, der ihm im Nacken hing. Er trug eine Brille mit einem ganz dünnen Rahmen und ein langes rotes Gewand, auf dessen Vorderseite groß das Wappen von Shaíria aufgestickt war. Der Mann saß in einem Rollstuhl, und es war eindeutig, warum das so war: Er hatte keine Beine.
«Wo sind wir?», erkundigte sich Aliyah.
«Meine Schülerin, Ihr stellt die falsche Frage», antwortete der alte Mann ruhig. «Ihr solltet Euch viel eher fragen: Warum bin ich hier?»
«Und warum sind wir hier?», fragte Miro.
«Ihr seid hier, um trainiert zu werden. Und ihr seid trainiert worden, um hier zu sein. In den nächsten Tagen werde ich euer Lehrer sein. Mein Name ist Master Kwando.»
«Ähm … Entschuldigung», meldete sich nun Ephrion zu Wort, noch völlig überwältigt von all den Eindrücken dieser geheimnisvollen Gegend. «Ich hab das nicht ganz verstanden. Wo genau ist hier? »
«Solange ihr hier seid, wird es hier sein, und wenn ihr gegangen seid, wird es nicht mehr sein», antwortete der alte Mann.
Miro begann in Anbetracht seiner verwirrenden Worte etwas gereizt zu werden. «Ihr sprecht in Rätseln. Ihr sagt etwas, und sagt doch nichts. Was meint Ihr damit?»
«Mein Schüler, wenn ich nichts gesagt habe, woher habt Ihr dann die Basis für eine neue Frage? Doch jetzt müssen die Fragen aufhören. Es liegt viel Arbeit vor uns. Und wir haben nur wenig Zeit. Einer der Onovans wird euch auf eure Zimmer bringen. Dort werdet ihr etwas zu essen finden, frisches Wasser und saubere Kleider. Es wird euch nicht erlaubt sein, miteinander zu reden. Erfrischt euch, stärkt euch und ruht euch aus. Morgen Früh beginnt euer Training.»
Joash ballte seine Faust und flüsterte in Miros Ohr: «Ich traue ihm nicht.»
Der Master wandte sich Joash zu und sagte mit einem sanften Lächeln: «Mein Junge, ich bin der Einzige hier, dem Ihr vertrauen müsst. »
Einer der blonden Hünen in schwarzem Anzug schritt zu dem alten Mann hinüber, drehte seinen Rollstuhl um und begann ihn langsam über den Kiesweg zu schieben. Erst jetzt bemerkten die Jugendlichen das große Gehöft, das sich auf einem sanften Hügel am Ende des Weges befand. Es war ein Bambushaus, das sich trotz modernster Architektur perfekt in die Landschaft einschmiegte. Die sehr luftige Dachkonstruktion hatte die Form eines in der Mitte geteilten sechszackigen Sterns. An den vorstehenden Dachbalken und Stützpfosten waren kunstvolle Schnitzereien angebracht. Vor dem Haupteingang befanden sich eigenartige Skulpturen. Der Rasen um das Anwesen herum war kurz geschnitten und sehr gepflegt. Ein Springbrunnen stand in der Mitte des frisch gesäuberten Weges, und das Plätschern des Wassers hatte etwas ungemein Beruhigendes und Friedliches an sich.
«Ähm … Master … Sir … Kwando … ähh.» Ephrion versuchte, die Aufmerksamkeit des alten Mannes auf sich zu ziehen, während er und die andern ihm zu dem Anwesen folgten. «Was ich noch fragen wollte: Was ist ein Onovan?»
Der Rollstuhl stoppte, und der blonde Hüne drehte sich nach den Jugendlichen um.
«Er ist einer», antwortete der Master, ohne dabei den Kopf zu bewegen. Der Onovan wandte sich wieder ab und schob Master Kwando schweigend den Weg hinauf.
Durch den Haupteingang gelangten sie in einen großen, mit Steinplatten auslegten Innenhof, in dem sich ein kleiner Teich mit einer Bambusbrücke und allerlei exotische Pflanzen und Blumen befanden. Es zwitscherte aus einem Baum, dessen kräftige Wurzeln einige der Bodenplatten gesprengt hatten. Der Wind spielte mit einem Glockenspiel, das von einer Pergola hing. Über einen mit Efeu bewachsenen Laubengang aus Bambusrohren gelangten sie zu ihren Kammern. An jeder Tür war ein hübsches Namensschildchen angebracht, beinahe so, als wären die vier Jugendlichen schon seit langem erwartet worden.
Master Kwando geleitete die Jugendlichen zu ihren entsprechenden Zimmern. Nachdem sich alle vier in ihre Kammern begeben hatten, wurden die Türen hinter ihnen verschlossen, und jeder war für sich allein. Aliyah war die Einzige, die nicht ganz alleine war. Sie war froh, Nayati bei sich zu haben. Der Wolf rannte sofort zu einem kleinen Tisch, der in der Mitte des schlichten Zimmers stand, und bettelte hörbar um Essen.
«Du bist hungrig, was? Das bin ich auch», sagte Aliyah müde und tastete sich zu dem gedeckten Tisch vor. Es roch verlockend nach frischem Brot und gebratenem Fleisch. Aliyah konnte sich
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