Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
dunkel war, merkte Joash, dass das Mädchen ihn gar nicht richtig anschaute.
«Bei Shaíria, sag bloß, du bist …»
«Ja, ich bin blind», bestätigte Aliyah seine Vermutung.
Joash kratzte sich am Kopf und verzog das Gesicht. «Also, ganz ehrlich, ich check das noch immer nicht ganz. Ihr seid wirklich meinetwegen im Knast gewesen?»
«Die Prophetin sagte, ohne dich könnten wir unsere Mission nicht antreten», erklärte Aliyah. «Es geht um eine uralte Prophezeiung, die sich durch uns erfüllen soll. Du bist ein Teil davon, so wie jeder von uns und …»
«Spar dir die Details, Kleine», winkte Joash ab, runzelte die Stirn und wurde auf einmal ernst. «Mal ganz ehrlich: Ich finde es echt krass, dass ihr für mich euer Leben aufs Spiel gesetzt habt. Voll Hammer. Ihr seid schwer in Ordnung. Ich werde euch das nie vergessen.» Er schlug sich mit der Faust feierlich auf die Brust. «Ihr könnt mit mir rechnen, was auch immer es ist, das ihr vorhabt. Ich bin dabei.» Er streckte die Faust aus, und als er merkte, dass die Jugendlichen ihn nur verständnislos anschauten, schlug er sich als Demonstration seine Fäuste gegeneinander. Dann streckte er die Faust wieder aus und wartete, bis Ephrion und Miro den Freundschaftsgruß erwiderten.
«Cooool», meinte Ephrion und zog das neue Slang-Wort extra stark in die Länge, damit es genauso frech klang wie bei Joash. «Und was jetzt?»
«Wenn wir uns nicht bald irgendwo waschen können, muss ich mich übergeben», sagte Miro, der sich noch immer die Nase zuhielt. «Vielleicht gibt es in der Nähe einen Fluss oder so.»
In diesem Moment hörten sie durch den Nebel den Klang einer dumpfen Glocke, die zwölfmal schlug. Es war ein Klang, der ihnen wohlvertraut war.
«Das Kloster!», rief Ephrion. «Wir sind beim Kloster gelandet.»
Miro atmete erleichtert auf. «Wunderbar. Die haben einen Brunnen im Klostergarten. Hab ich gesehen, als wir die Kutten holten. Wenn die Eolithen bei der Mitternachtsmesse sind, können wir ungestört unsere Kleidung waschen.»
Sie trabten los in die Richtung, aus der sie die Glocke hörten, und erreichten das Kloster in kürzester Zeit. Sie warteten hinter einer Mauer, bis die Weisen in ihre Kapelle gepilgert waren, und huschten dann über den Klosterhof in den Garten. Tatsächlich befand sich dort ein Ziehbrunnen, genau wie es Miro gesagt hatte, und so schöpften sie Wasser und begannen sich von Kopf bis Fuß gründlich zu waschen.
«Hoffentlich hat uns niemand gesehen», meinte Aliyah. Kaum ausgesprochen, tauchte wie aus dem Nichts ein Schatten im Nebel auf. Leise winselnd kam er direkt auf die vier Jugendlichen zu. Instinktiv griff Joash nach einem Stein, der am Boden lag. Seine Muskeln strafften sich.
«Geht in Deckung, Leute! Es ist ein Wolf!»
«Nayati!», rief Aliyah und strahlte übers ganze Gesicht.
Verwundert beobachtete der Bursche mit den Filzlocken, wie das Mädchen dem Wolf ohne Furcht entgegenlief. Der Wolf jaulte und tänzelte vor Freude, und Aliyah kniete vor ihm nieder und ließ sich ihr Gesicht von ihm ablecken.
«Mein Nayati. Ich bin so froh, dass du da bist.»
«Die Kleine … hat einen Wolf? »
«Es ist ein Mirin-Wolf», klärte ihn Ephrion auf. «Nayati gehört sozusagen zum Team.»
«Bei Shaíria», murmelte Joash perplex und ließ den Stein fallen. «Ihr zieht tatsächlich mit einem Wolf durch die Gegend? Ihr seid wirklich die komischste Crew, die mir je begegnet ist.»
Ephrion ließ Joash und Miro stehen und ging Nayati ebenfalls entgegen. «Na, hast du unseren Schatz gut gehütet?», fragte er.
Nayati kläffte zweimal, trabte davon und kam kurz darauf zurück. In der Schnauze hielt er einen Tragriemen, an dem eine schwere Tasche hing, die der Wolf über den Boden schleifte. Ephrion nahm ihm die Tasche ab und tätschelte ihm zufrieden den Kopf.
«Brav, Nayati. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.»
Er prüfte nach, ob das Buch der Prophetie unbeschädigt war, und hängte sich die Tasche über die Schulter. Dann fischte er das Tuch mit den restlichen Schokolade-Zimt-Keksen hervor und verteilte sie unter den andern.
«Ich glaube, die haben wir uns jetzt redlich verdient.» Sie setzten sich auf den Rand des Ziehbrunnens und ließen sich die Plätzchen schmecken. Für einen kurzen Moment vergaßen sie beinahe, welch riesige Gefahr noch immer über ihren Köpfen schwebte.
«Ich glaube, wir sollten besser von hier verschwinden», meinte Aliyah, nachdem sie ihren Keks gegessen hatte.
«Und wohin
Weitere Kostenlose Bücher