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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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Onovan erschien in dem Spiegelraum und bedeutete dem Jungen mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen. Als Miro über die Türschwelle trat, merkte er, dass er wieder in seinem eigenen Körper steckte. Doch er spürte, dass etwas mit ihm geschehen war. Er war nicht mehr derselbe. Er warf einen letzten Blick in den Spiegelraum, starrte für ein paar Sekunden in die Spiegel und meinte dann:
    «Es tut mir echt leid, Ephrion. Aber ich hoffe, dass du jetzt nicht etwa denkst, dass ich dich deswegen nicht mehr Dicker nenne.»

63
    Verkrümmt lag Joash auf dem Boden und drückte sich die Hände gegen die Schläfen. Es war, als würde sein Kopf mit einem Presslufthammer bearbeitet. Der Schmerz war schier unerträglich, fast noch schlimmer als die merkwürdige Veränderung, die über Nacht mit ihm geschehen war, als er die Augen aufgeschlagen und gemerkt hatte, dass er blind war und in einem weiblichen Körper steckte.
    Alles um ihn herum begann sich zu drehen, schneller und immer schneller. Lichtblitze flammten in seinen blinden Augen auf.
    «Was geschieht mit mir?», rief er verstört.
    Endlich beruhigte sich der Strudel, und das Schwindelgefühl ließ nach. Joash öffnete die Augen und sah sich um. Er war sich nicht sicher, ob er das alles nur träumte oder ob es tatsächlich geschah. Doch das, was er sah und hörte, war zu echt, um nur Teil eines Alptraumes zu sein.
    Er sah ein kleines, zierliches Mädchen, kaum neun Jahre alt, das auf einem Stuhl saß. Er wusste, dass es Aliyah war. Ein Mann mit einer speziellen Kerze in der Hand saß ihr gegenüber und hielt ihr das flackernde Licht vor die Augen.
    «Sie ist blind», stellte der Mann fest.
    «Ich weiß selbst, dass sie blind ist», keifte Onkel Fingal, der sich ebenfalls in dem Raum befand. «Was ich von Euch wissen will, Doktor, ist, wann sie wieder sehen wird.»
    «Ihre Pupillen verengen sich bei Lichteinfall wie ganz normale Pupillen. Ihre Augen scheinen völlig intakt zu sein, und dennoch kann sie nichts sehen. Als würde das Gehirn die Informationen abblocken, die durch die Augen eindringen. Dies ist sehr ungewöhnlich. Um ehrlich zu sein, ich habe noch nie ein ähnliches Phänomen gesehen.»
    Doktor Shalomar war kein ausgebildeter Arzt. Nicht viele Menschen in Dark City konnten es sich leisten, zu einem richtigen Arzt zu gehen, und so waren Heilkundige wie Doktor Shalomar der einzige Ausweg der Minderbemittelten, um sich untersuchen und beraten zu lassen. Shalomar hatte Jahre mit Lernen und Forschen verbracht, um sich das Wissen und Geschick anzueignen, das er jetzt besaß. Er konnte nie im Dienst des Königs stehen, doch er war gut auf seinem Gebiet. Er arbeitete bei sich zu Hause in seiner Küche. Und jeder konnte ihn mit dem bezahlen, was er hatte, mit Kerzen, Essen, Kleidern oder Werkzeugen.
    Die kleine Aliyah hatte schon seit Wochen gemerkt, dass sich ihre Sicht verschlechterte. Sie hatte ihrem Onkel davon erzählt, aber er hatte sie nur angeschrien und eine Lügnerin genannt. Als Aliyah jedoch eines Morgens aufwachte und vollständig erblindet war, begann sich Onkel Fingal doch langsam Sorgen zu machen, nicht wegen Aliyah, sondern weil er fürchtete, sie würde ihm dadurch nur noch mehr zur Last fallen. Er hatte sie nie gewollt, und jetzt war sie zu allem Übel auch noch erblindet.
    «Wie ist dein Name, Mädchen?», fragte Doktor Shalomar mit freundlicher Stimme.
    «Aliyah», antwortete ihm die Kleine. «Warum kann ich jetzt nicht mehr sehen?»
    Er dachte ein paar Sekunden über ihre Frage nach und überlegte sich, was er dem Kind darauf antworten sollte. Der Satz: «Ich habe keine Ahnung», hätte das kleine Mädchen nur noch mehr verwirrt.
    «Aliyah, meine Süße», sagte er schließlich, «deine Erblindung ist jetzt ein Teil von dir. Das bedeutet, du bist einmalig. Vertrau mir, es wird alles gut werden.»
    Er fuhr ihr durch ihr seidenes Haar und lächelte sie an, obwohl sie es nicht sehen konnte.
    «Ihr braucht ihr nichts vorzumachen», knurrte Onkel Fingal schlecht gelaunt und verschränkte die Arme. «Nichts wird gut werden, weder für sie und erst recht nicht für mich. Ich kann mich nicht um ein blindes Kind kümmern. Macht sie wieder gesund, Doktor. Ich bezahle Euch alles, was ich kann. Bloß: Flickt sie wieder zusammen!»
    «Es tut mir leid. Es ist nichts kaputt, das ich flicken könnte. Sie ist, wie sie ist.»
    Doktor Shalomar nahm einen weißen Zettel aus seinem Kittel und begann, etwas Unleserliches darauf zu kritzeln. «Ich schreibe Euch eine Adresse

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