Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
angetan?», wiederholte Yolanda ihre Frage.
«Ich … ich weiß es nicht», flüsterte Katara benommen. «Sie hat … sie hat mich …»
«Du siehst aus, als wäre dir der Tod selbst begegnet, Katara.»
Einar mischte sich in das Gespräch ein. «Soll ich Euren Vaterrufen?»
Katara schüttelte den Kopf. «Nein. Nicht meinen Vater. Ich … ich schaff das schon. Ich … brauch nur einen Moment.» Sie schloss die Augen und versuchte, tief und regelmäßig ein- und auszuatmen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie vollständig aus ihrem tranceähnlichen Zustand erwachte.
«Ich konnte mich einfach nicht von der Stelle rühren», sagte sie leise. «Ich wollte das Gitter loslassen, aber es ging nicht. Ich war wie gefangen. Und dann …» Ein Schauer durchfuhr Katara, als sie an jenen Moment zurückdachte, als das Licht der Fackel sich von ihnen entfernt hatte, als sie ganz allein dort gestanden hatte, dort in der Finsternis, allein mit einer Frau, die trotz ihrer Ketten die absolute Kontrolle über die Dinge zu haben schien, die jede ihrer Bewegungen in einer schauerlichen Perfektion durchführte und jedes ihrer Worte mit einer Vollmacht aussprach, als wäre alles seit Tausenden von Jahren so geplant gewesen.
«Was auch immer passiert ist», sagte Einar. «Ihr müsst versuchen, es zu vergessen.»
«Ich kann es nicht vergessen», murmelte Katara. «Ihre Augen … ich hab sie gespürt. Ich spürte, wie sie mich durchbohrten. Ich glaubte, ich müsste vergehen.»
«Ich wollte Euch helfen, aber Ihr habt einfach nicht losgelassen», sagte Einar.
«Ich konnte nicht», sagte Katara. «Ich konnte nicht.»
«Das hab ich befürchtet», meinte der Soldat und seufzte. «Bei Shaíria, Ihr hättet nicht herkommen dürfen. Ich sagte Euch, Ihr dürft ihr nicht zu nahe kommen. Ich versuchte Euch zu warnen. Ich sagte Euch, sie braucht keinen Zauberstab.»
«Es waren ihre Worte», lispelte Katara, «ihre Worte … es kann nicht sein.» Sie verharrte einen Augenblick in absolutem Schweigen. Ihr linkes Auge zuckte leicht. Ihr Gesicht wirkte eigenartig blass. Die Mädchen hätten gerne gewusst, was in diesem Moment in Kataras Kopf vorging, doch sie trauten sich nicht, sie zu fragen. Schließlich, als würde sie aus einem Traum erwachen, blickte sie sich um, ergriff den Wasserbecher, den ihr Einar schon die ganze Zeit hinhielt, und trank. Langsam kam wieder Farbe in ihr Gesicht.
«Wir müssen gehen. Bevor mein Vater sich Sorgen macht», sagte sie und richtete sich auf. Sie hatte noch ganz zittrige Knie, gab sich aber Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen.
Einar begleitete sie zum Eingang des Verlieses. Sie traten den Rückweg an. Nichts war mehr da von Euphorie und Übermut. Ihr Marsch glich eher einem Trauer- als einem Triumphmarsch. Katara hatte wieder die Führung übernommen und trug die Fackel, Yolanda und Xenia folgten ihr schleichend. Sie erreichten wieder den langen Gang mit den Rüstungen. Und erst jetzt traute sich Xenia, das unerträgliche Schweigen zu brechen.
«Was um alles in der Welt hat sich da unten abgespielt? Du warst wie verwandelt, Katara.»
Katara sah Xenia blitzend an.
«Ich sagte euch doch: Ich weiß nicht, was sich da unten abgespielt hat. Und ich will es auch nicht wissen. Es war ein Fehler herzukommen. Das ist alles, was ich weiß.»
«Und wenn sie dich verhext hat?», wandte Yolanda ein.
«Lasst uns einfach nicht mehr davon reden», sagte Katara.
«Ich meine, es wäre doch möglich», spann Yolanda den Faden weiter. «Du warst allein mit ihr in der Dunkelheit. Vielleicht hat sie einen Fluch über dir ausgesprochen.»
«Themawechsel», knurrte Katara.
«Wir möchten bloß herausfinden, was passiert ist», sagte Xenia. «Wir machen uns Sorgen um dich. Ich meine, du hörst Stimmen, die nicht vorhanden sind, du …»
Katara blieb stehen und schaute ihre Freundinnen verärgert an. «Sie hat zu mir geredet, klar?», knirschte sie. «Ich kann es nicht erklären, aber so ist es gewesen. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.»
«Was hat sie denn gesagt?», bohrte Yolanda indessen weiter.
«Nichts», sagte Katara gereizt. «Ich habe mir alles bloß eingebildet, richtig?»
«Was hat sie mit dir gemacht?», hakte Xenia nach. «Was ist dort in der Finsternis zwischen euch vorgefallen?»
«Ihr habt keine Ahnung, wer diese Frau ist», sagte Katara in scharfem Ton. «Keine Ahnung.»
«Dann sag es uns», meinte Xenia. «Wer ist sie?»
Katara wollte eben antworten, als etwas geschah, das ihr Gespräch
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