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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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fröstelte.
    «Nayati?», rief sie verwirrt. «Komm her, Nayati!»
    Sie bekam keine Antwort. Der Wolf war spurlos verschwunden, verschluckt von der Masse.
    «Der Wolf ist weg!», sagte sie zu ihrem Onkel. «Seht Ihr ihn irgendwo?»
    «Nichts als Ärger hat man mit euch», seufzte Onkel Fingal und sah sich um. «Nein, ich sehe ihn nicht. Sind viel zu viele Leute hier.»
    «Nayati!», rief Aliyah. Ihr Ruf kam nicht gegen das Gegröle und Gebrüll der Menge an.
    «Vergiss den Wolf», meinte der Onkel. «In diesem Menschengewühl findest du ihn sowieso nicht.»
    «Ich kann nicht ohne ihn ins Stadion, Sir.»
    «Es wird dir nichts anderes übrig bleiben.»
    «Sir», sagte Aliyah fast flehend. «Ich gehe nirgends ohne Nayati hin. Ich muss ihn suchen.»
    «In wenigen Minuten werden die Tore geschlossen. Du weißt, was das bedeutet.»
    «Ich werde rechtzeitig zurück sein.»
    Der Onkel verzog den Mund und machte eine flüchtige Handbewegung. «Such ihn meinetwegen. Aber ich bin nicht schuld, wenn dich die Sicherheitsgarde aufgreift.»
    «Danke, Sir», murmelte Aliyah. Sie drehte sich um und zwängte sich in entgegengesetzter Richtung durch die Menge. Immer wieder rief sie nach Nayati und hoffte, sein feines Gehör würde ihre Stimme aus all den übrigen Stimmen herausfiltern. Es blieb ihr nur wenig Zeit bis zur Türschließung. Warum ist er bloß weggelaufen?, dachte sie die ganze Zeit. Sie fand keine Antwort darauf.
    Sie ließ den großen Rummel hinter sich und schnalzte mit der Zunge, um sich neu zu orientieren. Es war eine Methode, die sie vor Jahren entwickelt hatte, um sich auch ohne Blindenstock oder irgendwelche fremde Hilfe zurechtzufinden. Sie funktionierte ähnlich wie die Echo-Ortungstechnik der Fledermäuse. Aliyah schnalzte mit der Zunge und achtete mit ihrem trainierten Gehör auf das feine Echo, das zurückkam. Die Bilder, die dabei vor ihrem inneren Auge entstanden, waren wohl nicht so detailliert wie die von Fledermäusen, da die Tiere viel bessere Sinne dafür haben als Menschen. Doch durch die ausgesendeten Signale und das zurückgeworfene Echo entstanden in ihrer Vorstellung schwache Lichtblitze, die die Umgebung gerade so weit erhellten, dass Aliyah Hindernisse rechtzeitig erkennen konnte.
    «Nayati!», flüsterte sie in die leeren Gassen hinein, während sie sich schnalzend immer weiter vom Stadion entfernte. «Wo steckst du nur?» Sie verstand nicht, was sein Verschwinden zu bedeuten hatte. Der Wolf war noch nie von ihr weggelaufen. Er war der treuste Begleiter, den es gab. Etwas musste geschehen sein. Aber was?

    Ein großer weißblonder Mann mit schwarzem Anzug schoss um die Ecke. Er flog beinahe über den offenen Platz, auf dem es noch vor wenigen Minuten von Menschen gewimmelt hatte. Jetzt war weit und breit keine Sterbensseele mehr zu sehen. Sie waren alle zum Stadion gegangen, um der Hexenverbrennung beizuwohnen. Sogar der Nebel schien durch die grauen Gassen Richtung Stadion zu wandern. Die Dämmerstimmung hatte etwas Geisterhaftes an sich. Dark City war wie ausgestorben, die Straßen leergefegt. Ein paar vereinzelte Hunde streunten herum und schnappten sich die letzten Brotreste, die bei der großen Gratisverteilung auf den Boden gefallen und zertrampelt worden waren. Ein strenger Geruch lag in der Luft, ein Geruch nach Verwesung und Kanalisation.
    Der Mann hatte es eilig. Er kümmerte sich nicht um die toten Ratten, die die Rinnsteine säumten. Ratten waren keine Seltenheit in diesem Stadtviertel. Sie waren eine echte Plage und knabberten sich zu Millionen durch die Müllhalden und Kanäle der Stadt.
    Etwas weiter vorne erreichte der Mann eine Brücke, die über einen Seitenarm des Toten Flusses führte. Der Gestank des verschmutzten Wassers war schier unerträglich. Manchmal schwemmte der Fluss tote Tiere an. Es kam auch vor, dass eine Leiche aus dem Fluss gefischt werden musste. Denn immer mal wieder stürzte sich jemand von einer der Brücken in den Toten Fluss, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Der Nebel war es, der sie zu solchen Verzweiflungstaten trieb.
    Der Mann überquerte den Fluss und folgte der Straße weiter Richtung Zentrum. Er hatte eine Mission zu erfüllen, und es blieb ihm nur wenig Zeit. Immer wieder blieb er im Schutz eines Hauses stehen, um sich davon zu überzeugen, dass ihm keiner von Drakars Sicherheitsgarde auf den Fersen war. Die Soldaten schwärmten jedes Mal aus, wenn eine Hexenverbrennung stattfand. Die öffentliche Hinrichtung einer Hexe war weit mehr als ein

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