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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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stinkt er und frisst uns die ganzen Vorräte weg. Du hättest ihn nicht aus dem Stacheldraht befreien sollen», brummte der Onkel.
    «Er war verletzt», rechtfertigte sich das Mädchen. «Ich musste ihm helfen.»
    «Er ist ein Wolf, und Wölfe sind unberechenbar.»
    «Nicht Nayati. Er ist anders, Sir. Er ist etwas Besonderes.»
    «Darüber unterhalten wir uns wieder, wenn er versucht, einem von uns die Kehle durchzubeißen. Dann sehen wir ja, wie zahm er ist.»
    «Er führt mich besser, als ein Blindenhund es könnte», sagte Aliyah. «Ein wilder Wolf würde das nicht tun.»
    «Ein Blindenwolf, wo hat man so was schon gehört!», brummte der Onkel. «Bis vor einem Jahr bist du ganz gut ohne ihn zurechtgekommen. Und dann tauchst du plötzlich mit diesem … diesem wilden Tier auf und tauschst ihn gegen deinen Blindenstock ein. Den Blindenstock musste ich wenigstens nicht füttern.»
    «Sir, Nayati ist ein guter Wolf. Wenn er bei mir ist …»
    Fingal ließ sie nicht ausreden. «Komm mir jetzt bloß nicht wieder mit deiner Seelenverwandtschafts-Theorie und dem ‹Das Schicksal hat uns zusammengeführt›-Quatsch. Du weißt, was ich davon halte.»
    Aliyah entgegnete nichts. Was hätte es schon genützt? Sie hatte dem Onkel schon hundertmal zu erklären versucht, wie rücksichtsvoll, behutsam und liebevoll Nayati mit ihr umging, wenn er sie durch die Straßen von Dark City lotste. Sie fühlte sich sogar derart mit dem Wolf verbunden, dass sie keine Leine brauchte, um von ihm geführt zu werden. Sie spürte ganz einfach, wohin er lief, und konnte ihm mühelos folgen. Ja, Nayati war ein besonderer Wolf. Und Aliyah war ein besonderes Mädchen. Das hatte ihre Mutter schon immer gesagt.
    «Du bist etwas ganz Besonderes», sagte sie damals, und Aliyah spürte noch jetzt ihre warmen Hände, die ihr dabei sanft übers Gesicht strichen. «Du bist zwar blind. Aber das ist nicht deine Identität, mein Kind. Deine Identität ist hier drin.» Und dann legte sie ihre Hände direkt über Aliyahs Herz, und dem Mädchen wurde warm dabei. «Hier drin, mein Kind. Das ist alles, was zählt.»
    Aliyah war nicht immer blind gewesen. Ihre Augen waren einfach von Jahr zu Jahr schlechter geworden, bis sie im Alter von neun Jahren vollständig erblindete. Mit dem Verlust ihres Augenlichtes begann Aliyah eine Art sechsten Sinn zu entwickeln – wie Tiere, die Katastrophen spüren, noch bevor sie geschehen. Und das Eigenartige daran war: Jedes Mal, wenn sie eine Vorahnung hatte, traf auch ein, was sie instinktiv gespürt hatte. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen. Aliyahs Mutter, die in allem stets das Gute sah, tröstete das Mädchen mit den Worten:
    «Dein neuer Sinn ist ein Geschenk.»
    «Ein Fluch ist er!» So bezeichnete es Onkel Fingal aus seiner Sicht. «Du hast uns eine Hexe ins Haus gebracht!»
    Aliyah glaubte, ihr Herz würde zerreißen, wenn sie den Onkel so reden hörte.
    «Ich bin keine Hexe!», weinte sie dann leise in ihr Kissen. «Das bin ich nicht! Nein, das bin ich nicht!» Und doch wurde sie den Gedanken nicht los, dass etwas nicht stimmte mit ihr. Sie wünschte sich, ganz normal zu sein, so wie alle anderen Teenager in ihrem Alter. Aber das war sie nicht. Und es gab Zeiten, wo sie sogar dachte, es wäre besser gewesen, sie wäre nie zur Welt gekommen.
    «Iss den Teller leer», brummte der Onkel. «Du weißt, wir dürfen uns nicht verspäten.»
    «Ja, Sir», murmelte Aliyah gehorsam. Sie legte Nayati die linke Hand auf den Kopf und kraulte den weißen Wolf liebevoll hinter den Ohren. Wenigstens du verstehst mich, dachte sie. Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. Ich würde dich um nichts in der Welt hergeben. Nayati sah das Mädchen mit seinen blauen Augen treuherzig an, als würde er sagen: Ich dich auch nicht, mein Kind.

17
    Stumm und blass hockte Miro auf dem Rücksitz der nach Leder und Parfüm duftenden Kutsche, zusammengeschrumpft und voller Angst. Sie verließen den Stadtkern, durchquerten die Vorstadt und fuhren mehrere Meilen an einer gewaltigen, mit Stacheldraht versehenen Mauer entlang. Überall waren Überwachungssysteme installiert, und man hätte meinen können, es handle sich um ein monströses Hochsicherheitsgefängnis. Doch Miro war dieses Gelände bestens vertraut. Es gehörte seinem Vater. Hinter dieser Mauer, in gewaltigen Gewächshäusern, gespeist von Drakars synthetischem Licht, züchtete sein Vater sämtliches Gemüse und sämtliche Früchte für die Stadt. Es gab auch riesige

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