Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
vor weniger als einer Stunde gegen die Mauer gepresst hatte. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte zu entkommen. Sie war ihm auf den Leim gegangen. Wer auch immer es sein mochte, der sie vor der Garde gerettet hatte, er hatte es nicht getan, um sie in Sicherheit zu bringen. Seine Absichten waren genauso düster wie die der Soldaten, wenn nicht sogar noch düsterer. Aliyah stockte der Atem bei dieser Erkenntnis.
«Bitte tut mir nichts», bat sie mit leiser Stimme. «Lasst mich laufen.»
Doch der Fremde ging nicht auf ihr Flehen ein. Stattdessen hielt er Aliyah plötzlich ein Tuch vors Gesicht. Ein süßlicher Geruch stieg ihr in die Nase, und bevor sie etwas dagegen unternehmen konnte, verschwammen die Geräusche um sie herum und es wurde ihr schwarz vor den Augen.
23
Das Stadion war bis auf den letzten Platz gefüllt, viele mussten sogar stehen. Es herrschte eine Atmosphäre des Feierns und der Ausgelassenheit. Gleich nach dem Fackeltanz setzten die auf den Emporen verteilten Fanfarenbläser ihre Trompeten an den Mund und verkündeten feierlich die Ankunft Drakars.
Zwei Fahnenträger betraten das Stadion. Sie waren altertümlich gekleidet und stützten die schweren Fahnen mit dem Wappen von Dark City in die Hüften. Es zeigte einen schwarzen, feuerspuckenden Drachen mit zwei gekreuzten Schwertern und mehreren Feuertropfen auf blutrotem Hintergrund. Stolz trugen die jungen Männer in ihren Federhüten und Umhängen die Fahnen durch die Arena, während der Schall der Trompeten das ganze Stadion mit ihren majestätischen Klängen erfüllte. Erhobenen Hauptes umrundeten die Fahnenträger den Scheiterhaufen und stellten sich dann vor die Tribüne, auf der Drakars Ehrenplatz noch leer war.
Nach den Fahnenträgern kam der Auftritt der schwarzen Ritter. Zu Trommelmusik und dem archaischen Blasen von großen Kuhhörnern erschienen sie unter jubelnden Rufen auf ihren Pferden am Eingang. Sie waren in schwarz gekleidet, rote Umhänge wehten um ihre Schultern, die Helme, mit roten Federn geschmückt, trugen sie unter dem linken Arm, während sie mit der rechten Hand die Zügel hielten. Angeführt von Goran, dem obersten schwarzen Ritter Drakars, umrundeten sie den Scheiterhaufen in leichtem Galopp und verteilten sich zur linken und rechten Seite der Tribüne auf einer Linie, um auf den König zu warten.
Die Spannung stieg. Ungeduldig blickten die vielen Menschen zum großen Tor, durch das ihr gnädiger Herrscher die Arena betreten sollte. Die Trompeten waren verstummt, auch die Kuhhörner und Trommeln. Alle warteten. Wie eine Hochzeitsgesellschaft auf den Bräutigam, so harrten sie in erwartungsvollem Schweigen auf die Ankunft König Drakars des Zweiten.
Es war ein feierlicher Moment. Langsam öffneten sich die schweren Türflügel des Tores gegenüber der Tribüne, und ein plötzlich anschwellendes Jubelgeschrei erklang. Die gesamte Bevölkerung erhob sich von den Sitzen, um ihrem König die ihm gebührende Ehre zu erweisen.
Und dort stand er. Dort stand Drakar der Zweite auf seinem Streitwagen, bereit für seinen triumphalen Einzug ins Stadion. Er war jung, schlank, hatte schulterlanges schwarzes Haar mit einer Silbersträhne, die ihm frech in die Stirn fiel. Seine schwarzen Augen glühten vor Ergriffenheit über den tosenden Beifall des Volkes. Sie liebten ihn. Sie verehrten ihn. Sie waren erfüllt von tiefster Dankbarkeit und Respekt für das, was er und sein Vater für die Stadt Dark City getan hatten. Er war ein Held, eine lebende Legende.
Die zwei schwarzen Stuten, die seinen Wagen zogen, sprengten laut wiehernd in die Arena. Drakar hob seine Hand zum Gruß und winkte und lächelte heroisch ins Publikum. Er trug einen langen Mantel mit groben Stahlknöpfen und Laschen, dazu schwarze Handschuhe und Stiefel. Verzierte Platten aus Edelstahl schützten seine Schultern. Sein Schwert blitzte an seiner Seite.
Hinter dem König kam ein Gefolge aus über hundert Kindern und Jugendlichen in niedlichen Trachten. Die Mädchen, alle mit geflochtenen Zöpfchen und rotgefärbten Wangen, trugen Körbe gefüllt mit Zuckerbrot, das sie während des Gehens ins Publikum warfen. Die Knaben hatten Peitschen in ihren Händen, mit denen sie über ihren Köpfen schnalzten und knallten. Und zwischen ihnen trabte eine Schar vermummter Burschen. Sie hatten geschwärzte Gesichter, trugen Pelzkappen mit Hahnenfedern und bliesen durch kleine spiralförmige Hörner. Der fröhliche Zug tanzte und hüpfte durch die Arena, und das Publikum
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