Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
an den fluchenden und schreienden Soldaten vorbeipreschte, als wäre der Teufel hinter ihr her. Und bevor die Sicherheitsgarde überhaupt reagieren konnte, verschwand die geheimnisvolle Kutsche zwischen den Häusern im Nebel.
21
«Beeil dich, Ephrion!», sagte Katara. «Er kann jeden Moment zurück sein.»
«Ich weiß», antwortete Ephrion. «Ich gebe mir ja Mühe. Aber die Stricke sind ganz schön zäh.» Er raspelte und schnitt wie wild. Es dauerte lange, aber irgendwann gaben die Fesseln nach, und Katara konnte ihre Hände befreien.
«Danke», sagte sie und rieb sich die geschundenen Handgelenke. «Jetzt fehlen nur noch die Füße. Und dann fliehen wir von hier.»
Ephrion gab ihr die Scherbe, und das Mädchen begann eifrig an ihren Fußfesseln herumzuschneiden.
«Aber wie kommen wir hier raus?», fragte der dicke Junge. «Die Tür ist zugeschlossen.»
«Wir müssen den Typen irgendwie außer Gefecht setzen, wenn er das nächste Mal kommt», sagte Katara.
«Du redest ja, als wäre das so was wie ein Kinderspiel», meinte Ephrion, während er vergeblich versuchte, den Knoten an seiner eigenen Fußfessel zu lockern. Doch die Entführer hatten ganze Arbeit geleistet.
«Wir nutzen den Überraschungseffekt», erklärte Katara. «Ich kenne eine Menge verschiedener Kampftechniken. Ich trainiere täglich mit den besten Kampflehrern, die es in Dark City gibt.»
«Du scheinst ja eine ziemlich gefährliche Lady zu sein», bemerkte Ephrion, und die Bewunderung in seiner Stimme war nicht zu überhören. «Ich werde mich wohl besser hüten, dir zu nahe zu kommen.»
Katara antwortete nicht. Sie konzentrierte sich auf das Reiben und Säbeln. Ihre Hände waren schon ganz warm davon.
«Ich verstehe noch immer nicht, warum ich hier gelandet bin», überlegte Ephrion. «Ich meine, du, du bist die Tochter Gorans. Aber wer bin ich schon? Mein Vater arbeitet in einer von Drakars Veolicht-Fabriken, meine Mutter näht und flickt Kleider für die Nachbarschaft. Die Idee war, ein paar Drakaten dazuzuverdienen, aber keiner hat Geld, um sie dafür zu bezahlen. So tauscht sie ihren Dienst eben gegen Essen ein oder gegen Gebrauchsgegenstände und all so was. Die Kleider, die ich trage, hat sie übrigens alle selbst genäht. Meine Mutter hat sehr geschickte, schlanke Hände. Aber sie muss immer Handschuhe tragen. Ist irgendeine Krankheit, die sie seit ihrer Kindheit hat.»
Er machte eine Pause und wurde beim Gedanken an seine Mutter von einer plötzlichen Melancholie erfasst. «Glaubst du, wir kommen hier je lebend raus?»
«Wenn ich diese blöden Stricke durchkriege», sagte Katara mit zusammengebissenen Zähnen.
«Wenn wir hier raus sind, möchte ich dir meine Eltern vorstellen», meinte Ephrion. «Und meinen jüngeren Bruder. Nicolo heißt er. Er ist neun Jahre alt und hat nichts als Flausen im Kopf. Er geht mir manchmal ganz schön auf die Nerven. Aber das haben kleine Brüder wohl so an sich. Hast du Geschwister?»
«Nein», sagte Katara trocken. Sie machte immer raschere Bewegungen, doch die Stricke gaben nicht nach. Sie riss und zerrte daran. «So ein Mist aber auch», brummte sie verärgert.
Ja, und genau in diesem Moment ging krachend die Tür auf. Diesmal waren es zwei Männer, die die Treppe in den Keller herunterkamen. Alle Hoffnung auf eine Flucht war mit einem Mal zerschlagen.
«Was jetzt?», flüsterte Ephrion.
«Ich werde mir etwas einfallen lassen», murmelte Katara.
Rasch stülpte sie sich die Augenbinde über den Kopf, und beide kreuzten ihre Hände hinter dem Rücken, um keinen Verdacht zu erwecken. Katara positionierte die Glasscherbe wie einen Keil in ihrer rechten Handfläche und schloss die Faust darum. Was auch immer die Entführer zu tun gedachten, sie war jedenfalls bewaffnet und würde nicht zögern, zum Angriff überzugehen. Ephrion starrte bloß zur Treppe und konnte vor lauter Angst und Herzklopfen nicht mehr richtig denken.
«Zeit zum Gehen», verkündete der eine der beiden Männer.
Fast gleichzeitig beugten sich die beiden vor, um die Jugendlichen wie zwei Kartoffelsäcke auf ihre Rücken zu laden. Und genau in diesem Moment trat Katara in Aktion. Sie riss sich die Binde von den Augen, schnellte vor wie eine Kobra und stach mit ihrem improvisierten Messer zu. Sie traf den einen Mann im Gesicht, und er schrie auf, als die Scherbe quer über seine Wange fuhr und eine tiefe Schnittwunde hinterließ. Seltsamerweise floss kein Tropfen Blut heraus.
«Kommt uns bloß nicht zu nahe!», knurrte
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