Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Ellbogen an den Wecker auf dem Küchentisch. Er fiel rasselnd zu Boden, zerbrach dabei in alle seine Einzelteile und hörte auf zu ticken.
«Wie ungeschickt von mir», murmelte die Frau, ohne sich weiter darum zu kümmern. Sie betrachtete ihre unfreiwilligen Gäste der Reihe nach. Die wiederum starrten ihre Gastgeberin mit weit aufgerissenen Augen an. Die Frau nickte zufrieden. Mit einem triumphierenden Lächeln sprach sie ihre Namen aus und sah dabei jedem Einzelnen von ihnen direkt in die Augen.
«Miro, Katara, Ephrion, Aliyah. Ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet.»
Unterdessen hatte eine wohlbeleibte Frau in einem wallenden Kleid die Arena betreten. Zwei Hörner waren auf ihrem Kopf befestigt. Feierlich schritt sie zur Mitte und blieb vor dem Scheiterhaufen stehen, den Blick zur Tribüne gerichtet. Sie holte tief Luft, ihr Brustkorb schwoll an, und mit einer imposanten Stimme, die das ganze Stadion erfüllte, sang sie die Stadthymne von Dark City. Die Zuschauer sangen mit, die rechte Faust aufs Herz gelegt. Der Stolz der Bürger vibrierte in jeder Silbe mit, die sie sangen. Sogar die Kleinsten, die noch auf dem Schoß ihrer Eltern saßen, hatten sich die winzigen patschigen Fäuste auf die Brust gelegt und quietschten aus voller Kehle, als hätten sie die Hymne bereits mit der Muttermilch in sich aufgesogen. Ja, jeder war stolz darauf, ein Bürger von Dark City zu sein. Die Liebe zu ihrer Stadt und zu ihrem König war beispiellos.
Mit derselben Hingabe und Leidenschaft wurde nun auch die Verfassung der Stadt rezitiert. Das Volk erhob sich dazu von den Sitzen und drehte sich zu Drakar hin. In perfektem Sprechchor, angeführt von der wohlbeleibten Sängerin mit den Hörnern, erschallte der Text der Verfassung im Stadion. König Drakar der Erste hatte sie bei seinem Amtsantritt zum ersten Mal verlesen lassen, und seither war sie den Bürgern in Fleisch und Blut übergegangen.
Eine ehrfurchtgebietende Atmosphäre erfüllte das Stadion, als die Stimmen Zehntausender von Menschen raunend, aber klar den Nebel durchschnitten mit den Worten:
«Lang lebe Drakar, der Schirmherr von Dark City, welcher Licht in die Finsternis gebracht hat. Wir schwören bei unserem Leben, der Verfassung treu zu dienen, ihre Gebote zu befolgen und das Unrecht aufzudecken. Wir schwören bei unserem Leben, die Ordnung, das Recht und die Einheit aufrechtzuerhalten, keinen Verrat zu dulden und unsere Kinder vor dem bösen Einfluss der Hexen zu bewahren. Wir anerkennen die Verfassung von Dark City und werden sie ehren bis in Ewigkeit. Lang lebe Dark City!»
Als die Menschen sich gesetzt hatten, erhob sich Drakar, legte die rechte Hand auf die Brust und verkündete mit derselben Begeisterung seinen Teil des Versprechens:
«Lang lebe das Volk von Dark City. Ich, Drakar der Zweite, König von Dark City, schwöre bei meinem Leben, der Verfassung treu zu dienen, euch zu beschützen, euch und eure Kinder mit Licht zu versorgen und das Recht, die Einheit und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich schwöre bei meinem Leben, keinen Feind ungestraft zu lassen und die Hexen zu verfolgen, zu bekämpfen und zu zerstören, bis der Fluch über unserem Land gebrochen ist. Möge das Volk von Dark City in Frieden leben bis in Ewigkeit. Lang lebe Dark City!»
Und alle jubelten im Chor:
«Lang lebe Drakar!»
Und Drakar hob segnend seine Arme in die Höhe und kündigte feierlich an:
«Die Spiele mögen beginnen!»
26
«Liovan, Shonovan, beginnen wir mit Miro!», sagte die Alte. Der Achtzehnjährige zuckte augenblicklich zusammen, als er seinen Namen hörte. Stocksteif saß der Junge auf dem Stuhl, an den er gebunden worden war. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich ihm zwei der blonden Hünen näherten. Sein Pulsschlag raste in die Höhe. Er gab ein paar seltsame Laute von sich, da der Knebel in seinem Mund ihn am Sprechen hinderte.
Was auch immer mit ihm geschehen sollte, gut würde es nicht sein. Miro wurde den Verdacht nicht los, dass die halbkreisförmige Anordnung der Stühle und ihre Anwesenheit Teil eines schauerlichen Rituals sein musste. Anders konnte er es sich nicht erklären. Er wollte nicht daran denken, was ihnen allen bevorstand.
Katara und Ephrion beobachteten das Ganze mit ebenso großem Unbehagen, und Aliyah saß nur schreckensbleich auf dem Stuhl, ohne zu verstehen, wie sie die Geräusche und Stimmen einordnen sollte. Selbst ohne Knebel in ihrem Mund hätte sie vor Angst keinen Ton von sich gegeben. Ihr ganzer Körper
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