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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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ihr nicht. Sie war eine Hexe. Sie würde ihn nicht einfach so freilassen, niemals. Hinter ihrem sanften Lächeln lauerte pure Bosheit, davon war Miro überzeugt. Es war nicht anders möglich. Und doch gelang es ihm nicht, die Alte zu durchschauen.
    Was führt sie nur im Schilde?, überlegte er angestrengt. Was hat sie vor? Woher weiß sie von meiner Fähigkeit? Und wenn sie davon weiß, warum lässt sie sich dann auf diesen Handel ein? Warum stellt sie mir eine Aufgabe, von der sie von vornherein weiß, dass ich sie mit Leichtigkeit bewältigen kann?
    «Na schön», lenkte Miro ein und streckte angeberisch sein Kinn vor. «Gebt mir den Wecker, und ich bringe ihn wieder zum Ticken. Ich kenne dieses Modell.»
    «Das glaube ich kaum», antwortete das Mütterchen, «dieser Wecker ist eine Einzelanfertigung.»
    «Und wenn schon», meinte Miro, um keine Antwort verlegen, «ich habe ein ähnliches Modell zu Hause. Ist ein Kinderspiel. In zwanzig Minuten habt Ihr Euren Wecker zurück und ich meine Freiheit.»
    Die Alte deutete mit ihrem Zeigefinger auf eine alte Kommode.
    «Seht Ihr die Sanduhr? Ich werde Liovan bitten, Eure Fesseln zu lösen. Ihr nehmt den Wecker, geht zum Küchentisch und habt den Durchlauf einer Sanduhr Zeit, um ihn wieder zum Ticken zu bringen. Bis das letzte Sandkörnchen in den unteren Glaskolben gerieselt ist, dauert es eine knappe Minute.»
    «Eine Minute?!», rief Miro entsetzt, und wäre er nicht an einen Stuhl gefesselt gewesen, wäre er hochgeschossen wie von der Tarantel gestochen. Das also war der Haken! Er hatte doch gleich gewusst, dass etwas faul war. Sie wollte ihm nur eine Minute geben. Eine einzige Minute, um ihren dämlichen Wecker zum Ticken zu bringen. Doch es kam noch schlimmer.
    «Was Ihr verlangt, ist unmöglich!» Miros Selbstsicherheit war mit einem Schlag verschwunden. «Und das wisst Ihr auch! Wie könnt Ihr etwas von mir verlangen, das nicht zu schaffen ist?»
    «Was macht Euch so sicher, dass es nicht geht?»
    «Ich bin clever. Ich weiß genau, was zu schaffen ist und was nicht. Und ich sage Euch: Kein Uhrmacher der Welt kann diesen Wecker innerhalb einer Minute wieder zum Ticken bringen!»
    «Das ist richtig», bestätigte die pummelige Schwarze und brachte damit den Jungen noch mehr um den Verstand. «Ich gebe Euch den Durchlauf einer Sanduhr. Wenn Ihr es schafft, seid Ihr frei.»
    «Und wenn nicht?»
    Die Alte gab Shonovan ein Zeichen mit der Hand. Er stellte sich neben Katara, fischte ein Klappmesser aus der Tasche und ließ die Klinge aufspringen.
    «Dann stirbt Katara!»
    Katara zuckte unwillkürlich zusammen, als die Klinge des Messers an ihrem Hals verharrte. Ein Schnitt, eine einzige Handbewegung dieses Mannes, und sie würde verbluten. In ihren Schläfen pumpte es. Sie rollte die Augen und schnaufte wie ein in Panik geratenes Pferd. Aus den Augenwinkeln sah sie die kräftige Hand des weißblonden Hünen und spürte das Messer an ihrer Kehle. Tödlich. Mit chirurgischer Präzision.
    Aus Miros Gesicht war alles Blut gewichen, und mit einem Schlag realisierte er den Ernst der Lage.
    «Bei Shaíria, das könnt Ihr nicht tun», stammelte er. «Das … das ist … krank! Kein Mensch kann diesen Wecker in einer Minute reparieren. Nicht einmal ich kann das! Warum verlangt Ihr das von mir?»
    Shonovan hielt die Klinge des Messers so, dass Miro keinen Zweifel daran hatte: Würde er es nicht schaffen, den Wecker rechtzeitig zu reparieren, war das Leben des Mädchens zu Ende. Katara sah ihn aus den Augenwinkeln flehend an. Miro war es auf einmal speiübel.
    «Liovan, schneidet seine Fesseln durch», befahl das Mütterchen. Dieser begann unverzüglich mit der Arbeit, und sowohl Miro wie auch Katara waren kreidebleich im Gesicht.
    «Bitte!», rief Miro verzweifelt. «Hört auf damit! Ich flehe Euch an: Tut diesem Mädchen nichts an! Ich kann das nicht tun! Niemand kann es tun. Es ist unmöglich!» Seine Fußfesseln fielen zu Boden. Liovan schnitt nun die restlichen Stricke durch. Miro war frei, blieb aber wie angewurzelt auf dem Stuhl sitzen. «Warum ich?», fragte er. «Warum stellt Ihr mir eine Aufgabe, die nicht lösbar ist?»
    Die Alte hörte sich Miros Flehen und Betteln unbeeindruckt an. «Ein Puma, eine Ente und ein Elefant sitzen unter einem Baum», sagte sie mit sanfter Stimme, wie eine Großmutter, die ihren Enkeln eine Geschichte erzählt. «Die Aufgabe lautet für alle gleich: Klettert auf den Baum.» Sie lächelte und legte Miro das Gehäuse des Weckers auf die

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